Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 29. Sitzung / Seite 92

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14.48

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne in Erinnerung bringen, dass die sozialdemokratische Parlamentsfraktion bereits in der vorigen Gesetzgebungsperiode die Abschaffung des Tatbestandes der fahrlässigen Krida in der gegebenen Fassung gefordert hat. Insofern ist die zu beschließende Neufassung des § 159 StGB mit dem Titel "grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen" positiv zu werten und wird daher auch von der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion unterstützt.

Wir hören immer wieder, dass es in unserem Wirtschaftssystem einfach so ist, dass das Eingehen von wirtschaftlichen Risken notwendig ist, aber aus unserer Sicht selbstverständlich unter Einhaltung eines gewissen Standards von Verantwortung und Sorgfalt. Deshalb ist es aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, dass dieses unternehmerische Verhalten weiterhin kriminalisiert bleibt, so wie es bis jetzt war. Die Bereitschaft zu wirtschaftlichem Risiko und Gewinnstreben ist auch aus unserer Sicht ein Bestandteil der Marktwirtschaft, und wir leben nun einmal in einer Marktwirtschaft.

Aber, meine Damen und Herren, wir wollen eine soziale Marktwirtschaft, eine Marktwirtschaft, wo nicht Rücksichtslosigkeit im Vordergrund steht. Deshalb ist es richtig, dass der neue Tatbestand "grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen" weiter sehr wohl pönalisiert wird und schlussendlich in einer taxativen Aufzählung von einschlägigen grob fahrlässigen Verhaltensweisen im Gesetz verankert wird.

Es soll also – wie heute bereits gesagt wurde – nicht jedes Fehlverhalten kriminalisiert werden, das im Nachhinein betrachtet zur Zahlungsunfähigkeit oder zur Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen geführt hat. Kriminalisiert werden sollen nur spezifische Verhaltensweisen, die grundsätzlich kridaträchtig sind.

Ich hoffe, dass es mit dieser Neufassung gelungen ist, einerseits wirklich rücksichtsloses, grob fahrlässiges Verhalten weiterhin unter Strafe zu stellen, aber andererseits innovative Unternehmer, die – sagen wir es salopp – wirklich Pech gehabt haben, vor einer gerichtlichen Strafe zu bewahren. Meine Damen und Herren, die anderen nachteiligen Folgen zivilrechtlicher Art, exekutionsrechtlicher Art bleiben diesen Unternehmen ja ohnehin nicht erspart.

Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung auch bei anderen Themen, die für die breite Masse der Bevölkerung auch wichtig sind, wenn nicht sogar wichtiger sind, auch nur ansatzweise so vorgehen würde wie bei der vorliegenden Novelle. Ich würde mir weiters wünschen, dass auch dort, wo nicht Unternehmer, sondern ArbeitnehmerInnen und die von Ihnen, von der rechten Reichshälfte so oft zitierten kleinen Leute betroffen sind, auch darüber nachgedacht würde, ob nicht Entkriminalisierung von Handlungen mit geringer Schuld möglich wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zur Krida doch noch einige Worte verlieren, weil es sich um ein Gesetz handelt, das wirtschaftlich sehr bedeutend ist und das auch von der österreichischen Wirtschaft vorausschauend begrüßt wird. Der Tatbestand wurde praktisch – so möchte ich sagen – entrümpelt, er wurde an die modernen Erfordernisse angepasst, und es gibt nicht mehr die Generalklausel in diesem Tatbestand, es gibt nicht mehr die Deliktsvariante der übermäßigen Kreditaufnahme, und es gibt nicht mehr den Begriff der Konkursverschleppung als strafbaren Tatbestand.

Im Zuge der Diskussionen hat man sehr viele Varianten besprochen und sich letztlich auf diese gemeinsame positive Minimalvariante geeinigt. Ich glaube, dass dieses Gesetz seinen Zweck erfüllen wird, dass auch die Gläubigerinteressen gewahrt sind, dass die Gläubiger weiterhin die persönlichen Haftungen, die Durchgriffshaftungen, die die Wirtschaft ja benötigt, wenn persönliches Verschulden vorliegt, wird wahrnehmen können, und ich glaube insgesamt, dass dieses


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