Herr Bundeskanzler! Trotz all dieser Fakten ist das Einzige, was Ihnen dazu einfällt, dass Sie Verständnis für die Sorgen der Österreicher äußern, und zwar in einer OTS-Meldung, in der das irgendwie als Zusatz zu den aktuellen Arbeitsmarktdaten kam. Das zeigt schon einmal den Stellenwert, den Sie diesem Thema beimessen. Ich kann mich nur fragen, ob das wirklich Ihr Ernst ist, und kann mich im Übrigen des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bundesregierung die letzten Monate offensichtlich im atompolitischen Tiefschlaf verbracht hat. (Beifall bei der SPÖ.)
Es hat ja von mehreren Seiten genügend Versuche gegeben, Sie aus diesem Tiefschlaf zu wecken – bisher leider erfolglos. (Abg. Kopf: Die Rede ist seit der Antwort des Bundeskanzlers aber überholt! Die hätten Sie umschreiben sollen!)
Herr Kollege Kopf! Ich habe die Rede nicht vorgeschrieben, ich schreibe mir immer nur Stichworte zusammen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass der Inhalt überholt ist, denn, wie ich vorhin schon gesagt habe, all diese Treffen haben offensichtlich nichts bewirkt. Es sind mir keine Auswirkungen bekannt, die nur irgendwie veröffentlicht oder angekündigt worden wären. Also was hat es geändert? (Abg. Dr. Martin Graf: Was macht die SPD in Deutschland?)
Sie haben es nicht einmal geschafft, im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, das vor Monaten begonnen hat, eine offizielle Einwendung einzubringen. (Abg. Kopf: Wir wirken ein in Tschechien, aber wir regieren dort nicht!) Alles, was am letzten Tag eingetrudelt ist, war eine halboffizielle Stellungnahme der Bundesregierung. Während meine Fraktion, die Umweltorganisationen, die Grünen Einwendungen gesammelt haben, schickt die Bundesregierung eine Stellungnahme. Es ist mir nicht erklärlich, warum man hier nicht offiziell etwas unternehmen konnte. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich darf Sie an dieser Stelle auch noch einmal an den Anti-Atom-Aktionsplan erinnern, der sowohl im Ministerrat als auch hier in diesem Haus beschlossen worden ist. Konkret wurde darin zu Temelin nämlich vorgeschlagen, dass man gemeinsam mit dem deutschen Umweltminister ein fiktives Genehmigungsverfahren für Temelin als Modellfall durchführt, um den Stand der Technik von EU-Seite her zu überprüfen. Auch in diesem so wichtigen Bereich ist leider nichts passiert, zumindest sind mir keine Aktivitäten bekannt. Sie haben vorhin auch keine einzige aufgezählt. (Abg. Schwarzenberger: Was hat vorher die Prammer erreicht? – Abg. Dr. Martin Graf: Wahrscheinlich sind die Deutschen nicht so einflussreich, die sind zu "klein"!)
Ein letzter Punkt, auf den ich eingehen möchte und der mich eigentlich besonders geärgert hat, betrifft die Stromimporte aus Tschechien nach Österreich. Es hat zu Jahresbeginn nachgewiesenermaßen Stromimporte der tschechischen CEZ, des tschechischen Energieerzeugers, nach Österreich gegeben.
Meine Damen und Herren von der Regierung! Was, glauben Sie, denken sich die Tschechen, wenn man einerseits ihren Strom nach Österreich importiert, aber andererseits sagt: "Temelin darf nicht gebaut werden!"? – Das ist ein totaler Widerspruch in sich! Als ich dann eine Anfrage an den zuständigen Wirtschaftsminister gestellt habe, der diese Stromimporte genehmigen muss, bekam ich zur Antwort, dieser Strom kommt aus Wasserkraftwerken. – Das sind wahrscheinlich die zwei Wasserkraftwerke in Tschechien, die für die ganze Welt den Strom produzieren. An Atomstrom wird anscheinend nie etwas exportiert!
Das ist für mich absolut unfassbar! Ich halte das für einen wirklichen Skandal. Und dann noch dazu diese Antwort zu erhalten, finde ich unglaublich. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler! Gestern haben die Umweltorganisationen vor dem Bundeskanzleramt demonstriert. Das Motto war: "Temelin – es ist eine Minute vor zwölf." – Heute ist es zwölf Uhr, und ich hoffe, dass Sie wachgerüttelt werden und endlich Aktivitäten setzen, um gegen dieses Kraftwerk etwas zu unternehmen und die Inbetriebnahme noch zu verhindern! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
16.05