Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 29

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Ich meine, wenn wir uns auf diesem Weg wiederfinden, dann kann man sagen, das ist ein guter Weg, den wir eingeschlagen haben, dann hat das eine politisch sinnvolle Symbolik. Wir haben auch für die jüngeren Generationen in Österreich, die diese Zeit nicht miterlebt haben und die immer mehr werden, weil der Zeitabstand immer größer wird, eine Vorbildwirkung, eine Überzeugungsarbeit, eine Bildungsarbeit zu leisten, um vor allem eines zu erreichen, nämlich dass so etwas wie während der Zeit des Nationalsozialismus nie wieder möglich ist. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich möchte Frau Präsidentin Schaumayer herzlich begrüßen, weil sie alle Phasen der Gesetzwerdung unterstützt hat. (Allgemeiner Beifall.)

Sie hat auch im Verfassungsausschuss das Wort ergriffen und hält uns bis zur letzten Minute unter strenger Beobachtung, dass das Gesetz tatsächlich zustande kommt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

9.50

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Frau Regierungsbeauftragte (in Richtung Galerie) Dr. Maria Schaumayer! Meine Damen und Herren! Der Nationalrat beschließt heute – ich hoffe einstimmig – das Versöhnungsfonds-Gesetz. Damit erfolgt ein weiterer, sehr wichtiger Schritt zur Aufarbeitung des Unrechts und der Verbrechen des Nationalsozialismus in Österreich.

Die Republik Österreich leistet freiwillig Geldzahlungen an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter. Meine Damen und Herren! Die heutige Gesellschaft, die in nie gekannter Sicherheit, in Wohlstand lebt, unsere jungen Leute, die sich in ganz Europa ausbilden lassen können, wir, die wir in der ganzen Welt Urlaub machen, gesicherte Familienschicksale haben und eine hervorragende Gesundheitsversorgung – wir können uns nicht vorstellen, welchem Schicksal Millionen von Menschen in der Zeit von 1938 bis 1945 ausgesetzt wurden.

Ich habe als Student die "Erinnerungen" von Albert Speer für eine Seminararbeit gelesen. Das war nicht nur der Baumeister des Nationalsozialismus, sondern er war später auch jener Minister, der für die Kriegswirtschaft zuständig war. Ich habe gelesen, dass die deutsche Kriegsmaschinerie im Jahre 1944 die höchste Ausstoßleistung in der Rüstungsindustrie durch Millionen von Sklaven- und Zwangsarbeitern erzielte, die aus ganz Europa in das Gebiet des nationalsozialistischen "Deutschen Reiches" transportiert wurden.

Mit Presskommandos wurden die Länder nach jungen Männern und jungen Frauen durchsucht. Sie wurden aus ihrer Heimat herausgerissen. Sie wurden aus ihrer Familie herausgerissen. Sie konnten ihre Ausbildungen nicht beenden. Sie konnten keine Familien gründen. Versetzen Sie sich in die Position dieser unglücklichen Menschen, die für Jahre ihres Lebens Zwangsarbeit leisten mussten – oft unterernährt, gedemütigt und im Bewusstsein dessen, dass die Waffen, die Dinge, die sie produzieren, unter Umständen gegen ihre eigenen Landsleute eingesetzt werden, dass sie arbeiten müssen, dass sie jene ernähren müssen, die ihr Land, ihre Heimat, ihre Familien mit Unrecht überziehen!

Zwang, Leid, Unterernährung, erniedrigende und demütigende Behandlung; ein menschenunwürdiges Dasein war oft, sehr oft das Schicksal.

Meine Damen und Herren! Das Unrecht, das diesen armen Menschen angetan wurde, kann niemand wieder gutmachen. Herr Kollege Cap! Wenn Sie von Wiedergutmachung sprechen, wissen Sie nicht, wovon Sie reden. Es kann auch keine Entschädigung geben. Ent schädigen heißt, den Schaden wieder gutmachen. Wir können die traumatischen Erfahrungen, die verlorene Jugend, die besten Lebensjahre, das zerstörte Glück, das zerstörte Leben und die zerstörte Gesundheit nicht entschädigen und nicht gutmachen.

Das Einzige, was wir tun können, ist, fassungslos vor diesen Schicksalen zu stehen und – da gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege Cap – dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.


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