Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 30

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Wir können nur trauern. Trauern allein wäre allerdings zu wenig. Wir können das Leid und die Folgen des Leides durch Geldleistungen lindern. Die Geldleistungen, die wir heute in die Wege leiten, können wir nur unter dieser Perspektive sehen: als Linderung dessen, was noch gelindert werden kann; als einen Akt auch der Trauer und auch des Gelöbnisses, dass wir alles tun werden, dass so etwas nie wieder geschieht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das wir heute beschließen, dieser Akt der Republik, entspringt keiner rechtlichen Verpflichtung, sondern einer moralischen Verpflichtung unserer Heimat gegenüber diesen Menschen. Österreich war in den Jahren 1938 bis 1945 auch Opfer des Nationalsozialismus, war von der Landkarte gelöscht und nicht handlungsfähig. Daher war auch unsere Republik nicht verantwortlich, auch wenn viele Österreicherinnen und Österreicher Verantwortung getragen haben.

Die moralische Verpflichtung ergibt sich daraus, dass mehrere hunderttausend dieser Sklaven- und Zwangsarbeiter auf österreichischem Gebiet litten und arbeiteten. Die österreichische Historikerkommission schätzt, dass von diesen vielen Hunderttausend noch etwa 150 000 am Leben sind, hochbetagt oder in bedauernswertem Zustand, aber jedenfalls noch fähig, von uns ein Zeichen zu erhalten.

Wenn wir daher heute das Gesetz beschließen, kommen wir unseren moralischen Verpflichtungen gegenüber diesen Opfern des Nationalsozialismus in Österreich nach. Wir können das Leid nicht gutmachen, wir können nur die Folgen lindern. Meine Damen und Herren! Die neue Bundesregierung hat sich dieser Aufgabe bereits in ihrer ersten Arbeitssitzung gewidmet, hat das Problem zügig angepackt und mit Hilfe von Maria Schaumayer rasch gelöst. Ich möchte Herrn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Frau Vizekanzlerin Riess-Passer herzlich dafür danken, dass sie die Dinge in die Wege geleitet haben, dass wir heute, sechs Monate später, bereits eine Lösung beschließen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am 15. Februar, also unmittelbar nach dem Amtsantritt der Regierung, wurde Maria Schaumayer als Regierungsbeauftragte bestellt. Sie hat ehrenamtlich ihre große Erfahrung, ihre unglaubliche Energie und ihre sagenhafte Durchsetzungsfähigkeit, gepaart mit ihrer großen Menschlichkeit und Sachkunde in den Dienst der Lösung dieses Problems gestellt. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen, den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich werde das Bild nie vergessen, als Maria Schaumayer, gestützt von Deputy Secretary Stuart Eizenstat, über die Stiege der Hofburg in den Verhandlungssaal ging. Ein Bild spricht mehr als tausend Worte. Es war klar, so muss man das machen, und so wurde es gemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In hunderten Verhandlungen, in Verhandlungen mit den USA, in Verhandlungen mit anderen Ländern wurde das Problem gelöst. Viele fragen sich: Was haben die Vereinigten Staaten mit diesen Opfern in der Ukraine, in Tschechien, in der Slowakei und so weiter zu tun? – Wir müssen wissen, dass sich die Vereinigten Staaten, denen ich ausdrücklich dafür danken möchte, seit 1945 immer in Fortführung einer langen humanistischen Tradition zum Anwalt der Opfer des Nationalsozialismus gemacht haben, zum Anwalt, wo immer dieses Leid geschehen ist und wo immer Handlungen notwendig waren.

So wie wir Österreicher viel von dem, was wir heute haben und sind, den Vereinigten Staaten verdanken, hat sich in Fortführung dieser Mission Deputy Secretary Stuart Eizenstat namens der Vereinigten Staaten für diese Lösung des Zwangsarbeiterproblems eingesetzt. Ich möchte ihm ebenso danken wie vielen anderen, die daran mitgewirkt haben. (Allgemeiner Beifall.)

Mein Dank gilt natürlich auch Maria Schaumayer. Ich weiß, sie hat das in ihrer zielstrebigen durchsetzungsfähigen Art nicht gerne, aber trotzdem ist dir, liebe Maria, unser aller Dank sicher. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit ich hier aber nicht nur die Verantwortung und die Moral in den Vordergrund stelle, sondern die ganze Wahrheit sage, ist es natürlich auch ein Akt der Klugheit, dass wir dieses Problem heute lösen, denn es ist im Interesse unserer Wirtschaft, dass ihre Exporttätigkeit in


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