Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 34

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Nationalfonds-Gesetz und das heute zu beschließende Versöhnungsfonds-Gesetz, unterbrochen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist keineswegs – und so sehe ich es – ein Freikaufen von dieser eigenen Geschichte und von der Last der eigenen Geschichte, auch wenn es manche so sehen wollen, sondern ich sehe es als die Chance, unsere Haltung in der Geschichte der Zweiten Republik zu allen Opfern des Nationalsozialismus zu verändern und nicht nur das Schicksal der Opfer, sondern auch das Erbe unserer Kinder in Bezug auf unsere Geschichte zu erleichtern. Das ist das, was dieses Gesetz sein wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute der Tag der ersten Phase der Umsetzung dieses Gesetzes. Heute findet nur die Beschlussfassung dieses Gesetzes statt, wiewohl das ganz zweifelsfrei für Frau Dr. Schaumayer und ihre Mitarbeiter der erste wichtige Abschluss eines sehr intensiven Arbeitsprozesses ist, aber es ist nur die erste Phase, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie beschließen heute ein Gesetz, von dem Sie überhaupt keine Ahnung haben, wann es in Kraft treten wird – so etwas ist wirklich einmalig. Ich habe hier noch nie, seit ich Abgeordnete bin, ein Gesetz beschlossen, von dem ich nicht wusste, wann es in Kraft tritt.

Dieses Gesetz tritt nämlich erst dann in Kraft, wenn 6 Milliarden Schilling zugesichert sind, und zwar von jenen, die sie aufbringen sollen. Das sind in erster Linie der Bund, die Länder und Gemeinden und jene, die die Hauptnutznießer der Ausbeutung der ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge waren, nämlich die Wirtschaft. Ich sage das jetzt so verallgemeinernd, weil es heute schwer ist zu sagen, wer aller konkret Nutznießer war. Ich meine die Wirtschaft in einem sehr weiten Sinn. Es sind nicht allein die großen Industriebetriebe gewesen, in diesem Bereich lässt es sich viel einfacher und viel klarer und präziser ausmachen, sondern es geht bis tief in private Haushalte, wo Menschen gedemütigt wurden, indem sie zu Zwangsarbeit gezwungen wurden, wo ihre Arbeitskraft ausgebeutet, ihre Gesundheit nachhaltig geschädigt und ihre Psyche mehr als beeinträchtigt wurde. Mitbürger und Mitbürgerinnen waren es, die von der Ausbeutung der Arbeitskraft von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen profitiert haben. So weit geht es.

Darum ist es nicht ausschließlich ein Anliegen der Wirtschaft, sich mit der Aufbringung der Mittel zu beschäftigen. Ich gestehe, dass der Rechtsfrieden für viele hoffentlich das Hauptmotiv sein wird, einzuzahlen, und der Frau Regierungsbeauftragten und all jenen, die sich jetzt damit beschäftigen, das Geld jetzt lockerzumachen, ihre Arbeit erleichtern wird, wie etwa Herrn Dr. Kessler, der diese Arbeitsgruppe im Rahmen der Industriellenvereinigung leitet. Es wird das Hauptmotiv für viele sein, einzuzahlen – die Frau Regierungsbeauftragte hat ja auch schon einen Vorschlag gemacht, wie viel es sein soll –, aber es soll nicht das alleinige Motiv sein, es soll auch für jene, die zahlen, ein Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte sein. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rechtssicherheit, die dadurch erreicht werden soll, bedeutet nichts anderes, als dass die Klagen, die gegen Unternehmen und gegen die Republik angedroht oder noch eingebracht werden beziehungsweise bereits eingebracht wurden, nicht relevant sind, wenn die entsprechenden Summen zur Verfügung gestellt werden. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die zweite Phase dieses Gesetzes, von der wir nicht wissen, wie lange sie dauern wird, von der wir aber hoffen, dass sie so kurz wie möglich sein wird, denn dieser heutige Beschluss ist auch ein Appell an die Vernunft, der hoffentlich fruchtbar sein wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Dann kommt die dritte Phase, dann erst kommt jene Phase, in der den Opfern diese Geste zur Verfügung gestellt wird, und es ist eine Geste. Kollege Haupt, Herr Dr. Khol und auch der Kollege Cap haben vorhin davon gesprochen, dass monetäre Leistungen niemals jenes Leid auch nur annähernd wiedergutmachen können, das diesen Menschen widerfahren ist. Es kann dies nur eine Geste sein, die gesetzt wird, eine Geste, die spät, aber doch ein Einbekenntnis der Schuld und der Mitverantwortung ist, die wir alle – und wir repräsentieren die Republik – heute setzen und auch


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