Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 33

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Sehr geehrte Damen und Herren! Es muss hier klar und deutlich gesagt werden, dass mit diesem Akt der Freiwilligkeit in pekuniärer Hinsicht das menschliche Leid nicht gemildert, ja nicht einmal eine Entschädigung geleistet werden kann. Es geht hier um einen Akt der demokratischen Selbstverständlichkeit, auch die Verbrechen gegen jene Menschen, die aus Österreich stammen und nach Österreich wieder zurückgekehrt sind, insgesamt anzuerkennen und dafür auch von Seiten des Staates eine entsprechende Geste der Versöhnung zu setzen.

Es geht meiner Fraktion aber auch darum, Rechtssicherheit zu haben, denn ich teile klar die Meinung des ehemaligen Finanzministers Dr. Androsch, die er in seinem Vortrag vor dem Liberalen Forum im Jänner dieses Jahres im Hotel Imperial geäußert hat, nämlich dass 55 Jahre nach Kriegsende die Verbrechen der Vergangenheit bei der jüngeren Generation und den nachfolgenden Generationen zwar nicht im Nirwana des Vergessens versinken dürfen, aber dass auch irgendwann einmal ein moralischer Schlussstrich unter die damalige Zeit gezogen werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für meine Fraktion und für mich gilt beides: auf der einen Seite die Rechtssicherheit, die uns von Seiten des amerikanischen Staates für unsere Wirtschaftstreibenden zugesichert worden ist, und auf der anderen Seite die moralische Geste, die wir bewusst setzen wollen für all jene, die es in der Zeit des Kalten Krieges nicht erleben konnten, dass ihr persönliches schweres Schicksal aufgearbeitet worden ist, weil es unter den Weltinteressen von Ost und West als nicht berücksichtigungswürdige Quantité négligeable in der Geschichte vernachlässigt wurde.

Ich glaube daher, dass wir nach der Öffnung des Ostens, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wir, die wir schon 45 Jahre zuvor Demokratie, Frieden, mehr wirtschaftliche Entwicklung und mehr Freiheit gehabt haben, verpflichtet sind, moralisch verpflichtet sind, hier einen Akt der Versöhnung mit jenen zu setzen, die das Kriegsende erst 1990 durch die Öffnung des Ostens und den Fall des Eisernen Vorhangs erlebt haben.

Meine Fraktion und ich werden diesem vorliegenden Gesetzentwurf selbstverständlich zur Gänze zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

10.11

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Frau Dr. Schaumayer! Unsere Nachkommen, also selbst die Nachkommen meiner Generation, werden einmal zwei Vergangenheiten zu bewältigen haben: einerseits die Vergangenheit des Nationalsozialismus und andererseits die fortgesetzte Demütigung der Opfer des Nationalsozialismus durch die Zweite Republik. Sie haben den Nationalsozialismus und unsere Mitverantwortung daran und die Geschichte dieser Zweiten Republik als eine Geschichte des Verdrängens und Vergessens der Opfer des Nationalsozialismus über viele Jahrzehnte zu bewältigen.

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Sie – so wie vor ziemlich genau fünf Jahren, als hier, auch in der letzten Sitzung vor der Sommerpause, das Gesetz für die Schaffung des Nationalfonds beschlossen wurde – mit diesem Gesetz, das wir heute beschließen, die Möglichkeit, einen Teil der Aufarbeitung der Geschichte des Verdrängens und Vergessens in der Zweiten Republik zu leisten. (Beifall bei den Grünen.)

55 Jahre Zweite Republik bedeuten in Bezug auf die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auch, dass uns die zirka 150 000 noch lebenden ZwangsarbeiterInnen noch die Möglichkeit geben – es ist die letzte Möglichkeit –, dieser Geschichte des Vergessens und dieser Geschichte des Verdrängens eine kleine Wendung zu geben und damit auch zu beweisen, dass wir nicht weiter in Stille Einverständnis zeigen und nicht in Stille auf das biologische Ende der letzten Überlebenden warten – so wie es viele Jahre und Jahrzehnte hindurch ausgesehen hat. Dieses Kalkül – das sage ich als eine Nachgeborene –, das die Zweite Republik, jetzt negativ gesprochen, immer "ausgezeichnet" hat, dieses Warten auf das biologische Ende, diese Geschichte des stillen Wartens wird durch diese zwei Gesetzeswerke, die ich genannt habe, das


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