Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 38

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Das wirkliche Problem, vor dem wir nämlich stehen – und auch in Zukunft stehen werden –, ist, dass es natürlich keinen Schlussstrich im moralischen Sinn geben kann – das war ja so auch nie gemeint –, dass es selbstverständlich aber Rechtssicherheit geben muss. Das ist schon auch ein Punkt, der an dieser Stelle eingemahnt, ja eingefordert werden muss! Wenn wir nämlich in dieser sehr heiklen Situation jetzt Firmen, die Wirtschaft dazu bringen wollen, sich zu beteiligen – ich danke dafür, dass die ersten Tausenden Briefe schon hinausgegangen sind und auch viele zugesagt haben, sich zu beteiligen –, dann ist natürlich eines der wichtigsten Argumente dafür die Rechtssicherheit.

Wollte man alles zusammenfassen, würde das in Wirklichkeit sehr viel länger dauern, denn die Historikerkommission, die unabhängig arbeitet, die ihren eigenen Zeitrhythmus hat, ihre Berichte in bestimmten Perioden vorlegen wird, ist derzeit ganz einfach nicht in der Lage, ein umfassendes Arbeits- oder Abschlussprojekt vorzulegen, sondern sie wird zu bestimmten Zeiten ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren.

Ich meine daher, es war richtig, die Zwangsarbeiter-Frage hier zu klären und andere Themen zu anderer Zeit zu klären. Wobei ich auch auf Folgendes hinweise: Viele Fragen, wie etwa die Banken-, Versicherungsproblematik, die Frage des Dorotheums und anderer, werden ganz sicher nicht vom österreichischen Staat oder von den Gebietskörperschaften gelöst werden können. Hier gilt die Verantwortung derer, die auch in der Rechtsnachfolge ganz klar in die Pflicht, in die Verantwortung zu nehmen sind.

Ich meine daher, es war richtig, dass wir diesen Weg gewählt haben, dass wir aber auch nicht die anderen Fragen auf die lange Bank schieben, sondern schon jetzt in einer vernünftigen Form das Gespräch mit den entsprechenden Organisationen aufnehmen. Botschafter Sucharipa hat ja seine Arbeit bereits voll begonnen.

Ein viertes Thema wurde angesprochen: Wie ist das jetzt mit den Opfern, und darf man, soll man über andere Opfer, Heimatvertriebene, Sudetendeutsche und so weiter, sprechen? – Ich glaube, dass wir uns sehr genau daran gehalten haben, nicht zu junktimieren. Das war ja am Anfang eine Befürchtung oder Sorge. Ich denke, es war richtig, dass wir es so und nicht anders gemacht haben.

Aber – und das möchte ich schon auch sehr ernst sagen – gerade weil wir von uns aus ohne irgendeinen Zusammenhang dieses Gesetz beschließen, haben wir, glaube ich, auch das Recht, jetzt zu sagen: Es gab und gibt auch andere Opfer, und diese sollen auch nicht vergessen sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte schon auch appellieren, dass sich jedes Land oder jede Regierung seiner beziehungsweise ihrer Verantwortung bewusst wird und – so, wie wir dies für uns machen – auch die notwendige Sensibilität im Umgang mit der eigenen Geschichte entwickelt. Das erscheint mir als wichtig, denn sonst bekommen wir nämlich wirklich irgendwann einmal unterschiedliche Kategorien von Opfern – das wäre mir persönlich nicht Recht, und es wäre auch den Menschen gegenüber nicht fair.

Niemand wird das Junktim: Opfern nur dann helfen, wenn auch anderen Opfern geholfen wird!, aufstellen dürfen und sollen. Aber der Appell, Unrecht, das geschehen ist, das objektiv geschehen ist, Menschenrechtsverletzungen, die objektiv geschehen sind, die Geschichte aufzuarbeiten, ist notwendig. Und die österreichische Regierung wird auch ganz sicher nicht müde werden, diese Gerechtigkeit einzufordern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einen Satz zur Opferthese, Österreich als Opfer des Nationalsozialismus – Abgeordneter Cap hat das mit großem Fragezeichen versehen; ich möchte auch hier ganz klar meine Meinung zum Ausdruck bringen und glaube, dass das auch bisher die österreichische Haltung jeder Regierung gewesen ist; ich habe überhaupt nicht die Absicht, davon abzuweichen –: Österreich war ein Opfer des Nationalsozialismus, Österreich wurde von der Landkarte ausradiert, ist untergegangen, war daher Opfer. Bereits 1941 hat Churchill als Erster den Satz aufgestellt:


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