Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 45

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unser Land kennen und die über die ungerechtfertigten Vorwürfe und Sanktionen gegen Österreich zutiefst empört waren.

Dass die Verhängung dieser Sanktionen quasi über Nacht erfolgte, ohne Befassung des Europäischen Parlaments geschweige denn der nationalen Parlamente, ist ein Spiegelbild eines ganz gravierenden Demokratiedefizits der Europäischen Union. Man darf sich wirklich nicht wundern, dass die Menschen in Österreich und Europa das Gefühl haben, dass in Brüssel über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

Man darf sich auch nicht wundern, dass die Bürger den Glauben an die hehren Ideale der Integration verlieren, wenn ein Außenminister eines EU-Staates sagt: "Mein Ziel ist es, die österreichische Regierung zu stürzen!", wenn ein anderer eine österreichische Regierungspartei als "haarige Bestie im Nadelstreif" bezeichnet und wenn ein dritter sagt: "Ich werde den Teufel tun und mich bei Österreich entschuldigen!" (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sollen wir uns die politischen Eliten Europas wirklich so vorstellen? Sollen das die Wortführer eines neuen Europas sein? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ist das die Sprache, die Europa einen und erweitern wird? – Ich frage Sie das ganz im Ernst, meine Damen und Herren, denn ich bezweifle das sehr, und mit mir tun das viele, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr dafür, dass wir uns mit der Sprache in der Politik kritisch auseinander setzen (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber das Verteilen von Zensuren an andere ist dann nicht besonders glaubwürdig, Herr Kollege Gusenbauer, Herr Kollege Edlinger und andere von der SPÖ-Fraktion, wenn Sie selbst laufend den verbalen Dreschflegel betätigen. Dasselbe gilt auch für die europäische Ebene. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Messen mit zweierlei Maß, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ist keine moralische Kategorie, mit der man beeindrucken kann. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einen Bericht über die Situation in Österreich einzufordern, ist gut und schön. Wir haben nichts zu verbergen und wir brauchen uns nicht zu verstecken. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass der Bericht der drei Weisen nicht nur zu dem Schluss kam, dass die österreichische Integrationspolitik problemlos mit dem europäischen Niveau mithalten kann, sondern auch ausführt, dass die Minderheitenpolitik in Österreich und die in diesem Bereich vorhandenen Standards sogar noch weit über dem europäischen Niveau liegen. Brandfackeln gegen Ausländer, Menschenjagd gegen Flüchtlinge, Schändung von Friedhöfen und Synagogen, Nazitumulte und Straßenschlachten: All das ist heute traurige europäische Realität – aber es ist nicht Realität in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung – das kann ich Ihnen versichern – wird alles daran setzen, dass es auch so bleibt, dass Österreich friedlich und sicher bleibt für jeden, der in diesem Land lebt. Wachsamkeit ist daher sehr wohl angebracht.

Wir werden sehr wachsam alle Entwicklungen in Europa beobachten. Wir werden sehr genau darüber wachen (Zwischenruf des Abg. Öllinger ), dass die Grund- und Freiheitsrechte ebenso wie die Grundprinzipien moderner Verfassungsstaaten, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung, aus der Diskussion über europäische Werte nicht ausgeblendet werden.

Das bedeutet für mich aber auch ganz klar, dass es mehr Mitbestimmung für die Bürger in Europa geben muss. Als der EU-Kommissar für Erweiterungsfragen Verheugen unlängst den Vorschlag machte, direkt-demokratische Instrumente bei großen und für Europa weitreichenden Entscheidungen wie zum Beispiel der Osterweiterung einzusetzen, folgte kollektive Empörung der so genannten politischen Eliten auf dem Fuße. Man könne doch, so die fast einhellige Meinung der ver öffentlichten Meinung, dem Volk eine so komplizierte Entscheidung gar nicht zumuten – als wäre die europäische Integrationspolitik eine Art Geheimwissenschaft, mit der sich nur Fachleute und Technokraten beschäftigen können.


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