Ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre sehr vorsichtig bei der Qualifizierung, wofür die Bürger gescheit genug sind und wofür nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es geht hier nicht nur speziell um die Osterweiterung, sondern grundsätzlich darum, dass es prinzipiell keine Frage geben kann, die man dem Bürger nicht zur Entscheidung vorlegen kann. Jede Entscheidung ist dem Bürger zumutbar – und vor allem ist den Bürgern die Wahrheit zumutbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es durchaus auch Unterstützung für den Verheugen-Vorschlag gegeben hat von einer Seite, von der man es eigentlich gar nicht vermutet hätte, wie zum Beispiel von Oskar Lafontaine, der ja bis vor kurzem noch zur sozialistischen Führungselite in Europa gehörte, und vom ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog. Ich halte es prinzipiell für positiv, dass damit eine Diskussion in Gang gekommen ist, die seit Jahren nur als Randthema der Union behandelt wurde, die für mich aber eine zentrale Frage ist, nämlich die Beseitigung des eklatanten Demokratiedefizits der EU und die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips im Sinne der Bürgernähe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Diese Diskussion muss bei einem Neubeginn Europas ins Zentrum gerückt werden, wenn man es mit dem Miteinander ernst meint. Und wenn wir es ernst meinen mit dem Miteinander in Europa, dann bedeutet das auch, dass wir Entscheidungsgrundlagen schaffen müssen, die für die Bürger glaubhaft und nachvollziehbar sind, zum Beispiel auch betreffend die Osterweiterung.
Im Interesse Österreichs, aber auch im Interesse der Union muss es eine sorgfältige Abwägung geben, welche Vorteile welchen Nachteilen gegenüberstehen, welcher Nutzen welche Kosten nach sich zieht.
"Die derzeit angewandte Methode", schreibt Christian Ortner im "Format", "einen Blankoscheck vom Steuerzahler einzufordern und all jene als provinzielle Kleingeister zu denunzieren, die ihn so nicht unterschreiben wollen, wird sich letztlich als kontraproduktiv erweisen."
Wir in Österreich sehen unsere Verpflichtung darin, unsere Nachbarstaaten nach Kräften dabei zu unterstützen, dass sie die für den Beitritt notwendigen Standards in der Sozialpolitik, der Umweltpolitik, der Rechtspolitik erreichen können. Aber wir erwarten von den Beitrittskandidaten auch, dass sie die in Europa geltenden Standards der Menschenrechte und der Sicherheit bei Atomkraftwerken zu erfüllen bereit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
In diesem Sinne sollten die Erfahrungen der letzten Monate dazu genutzt werden, gemeinsam den Pfad der Vernunft zu beschreiten. Um diesen Pfad mit Leben zu erfüllen und fruchtbar zu nutzen, müssen wir uns mit gegenseitiger Achtung begegnen, unsere demokratische Zuverlässigkeit außer Streit stellen und die gemeinsame Verantwortung für Österreich über alle parteipolitischen Ziele stellen.
Angesichts der Reaktion der Opposition auf die Aufhebung der Sanktionen in den letzten Tagen habe ich meine berechtigten Zweifel dahin gehend, ob wirklich alle die richtigen Lehren aus dieser Entscheidung gezogen haben. (Zwischenruf der Abg. Huber. ) – Frau Kollegin! Wer im Zusammenhang mit den Sanktionen das eigene schlechte Gewissen überdecken will, indem er mutwillig und völlig unbegründet versucht, die politische und persönliche Integrität des Justizministers zu untergraben, hat aus den Ereignissen der letzten Monate nicht die richtigen Lehren gezogen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer besitzt nicht nur mein persönliches Vertrauen, sondern auch das volle Vertrauen der gesamten Bundesregierung und das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung, wie wir aus vielen Reaktionen der letzten Tage und Wochen wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Die politischen Schlussfolgerungen aus den Sanktionen der "EU-14"-Staaten liegen auf der Hand: