Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 198

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Darüber hinaus sollen alle Fristen im Einzelfall verlängert werden können und müssen, wenn außergewöhnliche Umstände dafür sprechen. Um sicherzustellen, dass Strafverfahren durch die Eröffnung der Möglichkeit einer Fristverlängerung nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 EMRK unangemessen verlängert werden, schlägt der Entwurf eine Höchstgrenze für die Fristverlängerung vor.

Eine teilweise analoge Regelung enthält der Entwurf für die Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde einer anderen Prozesspartei, allerdings beschränkt auf die Ausdehnung der Frist für Durchschnittsfälle auf vier Wochen und die neuen längeren Fristen bei einer größeren Zahl von Verhandlungstagen, also ohne darüber hinausgehende Verlängerungsmöglichkeit im Einzelfall.

Obwohl Grund der Aufhebung der starren Rechtsmittelfrist lediglich die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte von Angeklagten gewesen ist, sieht der Entwurf vor, dass die gesetzliche Verlängerung der Fristen und die zusätzliche Verlängerungsmöglichkeit durch richterlichen Beschluss auch für die Ankläger Geltung haben soll. Das erscheint angemessen, weil auch sie von den Umständen, die längere Fristen rechtfertigen, ebenso betroffen sind oder sein können wie Angeklagte. Die Regelungen der StPO müssen auch dem Wesen eines die Strafverfolgung sichernden, fairen Verfahrens entsprechen.

Die Neuregelung soll auch für Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz gelten, allerdings unter Ausschluss der Berufung allein punkto Strafe oder/und der privatrechtlichen Ansprüche sowie der Gegenausführung dazu (vgl. § 467 Abs. 3 idgF und neu). Auch vor dem Einzelrichter sind Verfahren, die einen überdurchschnittlichen Aktenumfang oder eine überdurchschnittliche Komplexität der Strafsache aufweisen oder in denen überdurchschnittlich lange verhandelt wird, möglich und kommen in der Praxis vor. Die Zuständigkeit des Einzelrichters reicht bis zu einem Strafrahmen von fünf Jahren Freiheitsstrafe und umfasst daher auch Fälle, in denen es für den Beschuldigten um sehr viel gehen kann und die der Art der strafbaren Handlungen nach umfangreich und komplex sein können. Die Neuregelung auch für das einzelrichterliche Verfahren gelten zu lassen, entspricht daher der EMRK und dem Gleichheitsgrundsatz.

3. Das Erk des VfGH bietet Anlass, auch die anderen Regelungen der StPO von Fristen für Prozesshandlungen daraufhin zu untersuchen, ob die Regelungen und insbesondere die Länge der eingeräumten Fristen insbesondere bei komplizierten Sachverhalten und für besonders wichtige Prozesshandlungen und -termine angemessen sind. Der Entwurf sieht für eine Reihe von Fällen Veränderungen gegenüber den bisherigen Fristen vor. Darunter befinden sich auch Verbesserungen zugunsten von Privatbeteiligten, also mutmaßlichen Opfern strafbarer Handlungen. Ebenso sollen die Fristen für die Anklageerhebung und die Urteilsausfertigung , die den praktischen Gegebenheiten oft nicht gerecht werden, nämlich zu kurz sind, verlängert werden. Für die Anklageerhebung ist außerdem eine zusätzliche Verlängerungsmöglichkeit im Einzelfall vorgesehen, doch wird die Frist gleichzeitig zu einer Fallfrist umgestaltet; das soll für die Frist zur Urteilsausfertigung nicht gelten, sondern sie wird als so genannte Mahnfrist belassen, deren Überschreitung keine unmittelbaren Sanktionen nach sich zieht. Schließlich sieht der Entwurf vor, dass den Beteiligten im Regelfall gegen Entscheidungen des Vorsitzenden und des Einzelrichters eines Gerichtshofes erster Instanz, die außerhalb der Hauptverhandlung gefasst werden, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz eingeräumt wird. Diese Regelung ist § 481 StPO nachgebildet: Nach dieser Bestimmung steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des Bezirksgerichtes, insofern sie der Berufung nicht unterliegen, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das, was für Entscheidungen der Bezirksgerichte gilt, für Entscheidungen der Gerichtshöfe erster Instanz nicht gelten soll, und ebenso ist es nicht verständlich, dass gegen Entscheidungen der Untersuchungsrichter der Gerichtshöfe erster Instanz stets eine Beschwerde möglich ist (§ 113 Abs. 1 StPO), gegen Entscheidungen von Richtern der Gerichtshöfe erster Instanz im Zuge des Hauptverfahrens, aber außerhalb der Hauptverhandlung, dagegen nicht. Ganz im Gegenteil: Das Rechtsschutzbedürfnis ist nach Anklageerhebung und in Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz, wo es um schwererwiegende Delikte geht, größer anzusetzen als im Vorverfahren und im bezirksgerichtlichen Verfahren.


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