Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 199

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4. Eine unangemessene Verlängerung von Strafverfahren ist durch die vorgeschlagenen Neuregelungen nicht zu befürchten. Die Dauer von Strafverfahren hängt am allerwenigsten von der Länge gesetzlicher und richterlicher Fristen ab, sondern von ganz anderen Umständen. Der Anlassfall zeigt das deutlich: Die Voruntersuchung wurde im Sommer 1989 eröffnet, die Anklageschrift im August 1995 verfasst. Die Voruntersuchung dauerte also mehr als sechs Jahre. Im Rahmen der Voruntersuchung wurde ein nicht weniger als 22 Bände umfassendes Gutachten erstellt; die Arbeit daran nahm Jahre in Anspruch. Im November 1995 wurde die Anklage rechtskräftig und stand fest, welche Berufsrichter dem erkennenden Schöffensenat angehören würden. Den Berufsrichtern stand eine Einarbeitungszeit bis September 1996 zur Verfügung. Die Hauptverhandlung wurde am 16.9.1996 eröffnet und endete am 14.6.1999 mit dem Urteil. Obwohl derzeit § 270 Abs. 1 StPO vorschreibt, dass jedes Urteil binnen vier Wochen vom Tage der Verkündung schriftlich ausgefertigt werden muss, und obwohl das Protokoll der Hauptverhandlung fortlaufend über EDV erstellt wurde, es also keine Wartezeit bis zum Einlangen der Protokollsübertragung gab, und obwohl die beiden Berufsrichter ausschließlich für diese Strafsache zuständig waren, wurde die Urteilsausfertigung, was angesichts der Umstände dieser Strafsache verständlich ist, erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Urteilsausfertigung zugestellt (tatsächlich sogar erst am ...., also nach fast einem Jahr nach der Urteilsverkündung). Die Dauer dieses außergewöhnlich langen und komplizierten Strafverfahrens war also weitestgehend durch andere Umstände bestimmt als durch die Länge der gesetzlichen und richterlichen Fristen für Prozesshandlungen. Auch darf nicht übersehen werden, dass in vielen Fällen in Strafverfahren Fristen häufig überhaupt nicht zum Tragen kommen, so etwa bei Rechtsmittelverzicht oder Unterlassen von Rechtsmitteln. Wo aber die Länge von Fristen im Einzelfall doch aktuell wird, sind die geltenden Fristen nicht selten zu kurz, als dass eine sorgfältige Vorbereitung und Ausarbeitung der Prozesshandlung sichergestellt wäre. Verlängerungen gesetzlicher Fristen sieht der Entwurf außerdem nur für einige besonders bedeutsame Prozesshandlungen und -termine vor; richterliche Fristen sind schon nach dem bisherigen Recht ohnehin verlängerbar und bleiben es auch in Zukunft.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Z 1:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur bisherigen Rechtslage ist die Anfechtung nicht urteilsmäßiger Entscheidungen mit dem Rechtsmittel der Beschwerde im Gerichtshofverfahren – anders als im bezirksgerichtlichen Verfahren: § 481 StPO – nur zulässig, wenn die Beschwerde im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (z. B. SSt 29/85, EvBl 1981/33-Venier, Strafprozessrecht6 Rz 983 – 986); diesen Bedenken soll durch die Neuregelung Rechnung getragen werden.

Damit soll außerdem die Chance eröffnet werden, dass die Beteiligten möglichst weitgehend in die Lage kommen, verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein präjudizielles Gesetz oder einen präjudiziellen Staatsvertrag, die auch außerhalb von urteilsmäßigen Erledigungen in Betracht kommen, nach Maßgabe der Art. 140 f B-VG im Rahmen des Strafverfahrens an den VfGH herantragen zu lassen, weil Erstgerichte insoweit nicht berechtigt sind, den Antrag auf Aufhebung beim VfGH zu stellen (Art. 89 Abs. 2 B-VG); Individualanträge in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Gerichte fallen, werden vom VfGH nur ganz ausnahmsweise für zulässig erachtet, wie auch im Erk vom 16.3.2000 dargestellt worden ist. Die vorgeschlagene Regelung trägt Überlegungen des VfGH in diesem Erk Rechnung; der VfGH hat u. a. ausgeführt: "Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen – vom Standpunkt des Betroffenen aus – zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es wesentlich darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften im Wege der ordentlichen Gerichte an den VfGH heranzutragen."

Zu Z 1b:

Der Privatbeteiligte wird zwar häufig, aber keineswegs immer anwaltlich vertreten sein. Wenn er die Verständigung bekommt, soll er ausreichend Zeit haben, eine rechtliche Beratung einzuho


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