Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 41. Sitzung / Seite 53

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ling zu reden, sondern über Betroffene. Hier auf der Galerie sitzt ein Behinderter, beinamputiert nach einem Arbeitsunfall im Jahre 1968. Ausgaben für Rezepte im Jahre 1999: 15 000 S. 15 000 S für Rezeptgebühren im Jahr! Er ist zurzeit in Pension, hat eine Unfallrente – und diese Regierung tritt jetzt an, dieser Person diese Unfallrente zu besteuern! Ertrag: 2 Milliarden, damit man für die Arbeitgeber den Unfallversicherungsbeitrag voraussichtlich um 1,7 Milliarden Schilling senken kann. (Abg. Dr. Stummvoll: Die 1 Milliarde fließt ja wieder zurück! Das wissen Sie, Herr Präsident! Bleiben Sie ehrlich!) 2 Milliarden kassiert man von den Betroffenen – den Arbeitgebern gibt man 1,7 Milliarden. Das ist nicht die Politik, wie wir sie verstehen! (Beifall und Pfui-Rufe bei der SPÖ.)

Ich kann durchaus verstehen, wenn der Herr Wirtschafts- und Arbeitsminister in Erkennung eines Problems bei den Saisonarbeiterinnen und -arbeitern einen Maßnahmenkatalog vorschlägt. Das kann ich durchaus verstehen. Aber dass diese Koalitionsregierung dafür alle Arbeitnehmerinnen und Arbeiter in die Geiselhaft nimmt, das kann ich nicht unter dem Titel "Treffsicherheit" verstehen. Vertragsbedienstete, die als Bademeister oder als Arbeitnehmer in einem kurzfristigen öffentlichen Dienstverhältnis stehen, sind betroffen, Karenzgeldbezieherinnen, die eine Karenzvertretung ermöglichen, sind davon betroffen. Alle Dienstverhältnisse sind in Wirklichkeit davon betroffen. Es sitzen ja genügend Wirtschaftstreibende im Raum, die vielleicht selbst Dienstverträge ausstellen. Diese lauten in der Regel neuzeitlich: ein Monat Probezeit nach dem Angestelltengesetz, weitere fünf Monate Befristung ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger. )

Ja, super, Herr Kollege, ganz super! Die Sozialpartner waren gestern beim Herrn Bundesminister Bartenstein und haben beide einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt. Da hinten (in Richtung ÖVP weisend) sitzt ein Zeuge, Ihr Vertreter der Wirtschaft in der Zukunft, Herr Stummvoll, hier im Parlament sitzt ein Zeuge, der mitbekommen hat, dass die Sozialpartner einen Lösungsvorschlag haben, und er hat das auch mit vertreten. Wir werden sehen, was nächste Woche dabei herauskommt. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )

Moment! Jetzt haben wir es mit einer Regierungsvorlage zu tun, die eine Wartefrist für alle Beschäftigten festschreibt, wenn sie ein befristetes Dienstverhältnis haben oder es durch Zeitablauf endet. Das ist keine Sozialpolitik, die mit Treffsicherheit zu tun hat, das ist Abkassieren, In-Geiselhaft-Nehmen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden sich vielleicht wundern, dass ich am Schluss meiner Rede auch noch einen anderen Bereich anspreche, der nicht automatisch mir zuzuordnen ist. Ich habe auch die Ehre, Vorsitzender des Industrieausschusses dieses Hohen Hauses zu sein. Wir hatten im September und auch vor dem Sommer ganz intensive und, so glaube ich, gute Beratungen mit verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung, mit Herrn Bundesminister Schmidt, mit Herrn Bundesminister Grasser. Wir, Vertreter aller Fraktionen, haben im Ausschuss mehrfach gefragt: Wie wird es denn mit dem Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt sein, was ist hier angedacht? – Die Antwort sowohl von Herrn Schmidt als auch von Herrn Grasser war: Das können wir Ihnen vor der Budgetrede nicht sagen. Wir können Ihnen nur den Betrag nennen, aber die Details erfahren Sie in der Budgetrede. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, ich habe auch nachgelesen, aber gefunden habe ich eigentlich nichts darüber, welche Schwerpunkte diese Regierung setzen will. Sehr wohl ist die Summe genannt, aber in welche Richtung der Schwerpunkt gesetzt wird, das ist, so glaube ich, eigentlich nicht erkennbar.

Da sollte doch eine andere Politik Platz greifen, indem konkret gesagt wird, welche Schwerpunkte in der Forschungs- und Entwicklungspolitik politisch unterstützt werden sollen, gemeinsam mit der Wirtschaft, mit den Universitäten, anstatt nur eine Summe in den Raum zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt: Da gibt es einen Akt. Da oben auf der Galerie sitzt ein Betroffener. Das ist keine Schimäre, nicht eine Erzählung irgendeiner Art. Denken Sie über Ihre Budgetpolitik nach, denn – ich verwende sehr bewusst ein Wort des Herrn Finanzministers aus der Debatte von gestern – der Vergleich macht uns sicher: Soziale Gerechtigkeit, dafür steht die Sozialdemokratie. Wirtschaftsentwicklung, das unterstützt die


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