Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 102

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Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben nach Herzmanovsky-Orlando einen Dialog oder besser zwei Dialoge hier dargeboten. Sie haben gesagt, Minister Böhmdorfer referiere mit dem Staatsanwalt und der Staatsanwalt referiere wieder mit einem einzuvernehmenden Herrn Rechtsanwalt Böhmdorfer, und Sie sagen, dass das unvereinbar sei. – Diese Argumentation ist in höchstem Maße unredlich. Unredlich deshalb, weil Sie selber – ich kann Ihnen Ihre Pressemitteilungen darlegen – die Auffassung vertreten haben, dass das, was Rechtsanwalt Böhmdorfer vor über fünf Jahren in dem Prozess gesagt hat, nicht strafbar ist. Sie selber als Oppositionspolitiker sagen also, dass das Verhalten des damaligen Rechtsanwaltes und nunmehrigen Ministers Böhmdorfer nicht strafbar war. Das heißt aber mit anderen Worten, dass Sie genau wissen, dass Minister Böhmdorfer als Beschuldigter in eigener Sache niemals vor dem Staatsanwalt stehen und einvernommen wird. – Das ist das eine Unredliche.

Das zweite Unredliche ist, dass Sie kritisieren, dass er als Zeuge einvernommen wird. Herr Kollege Van der Bellen! Dazu möchte ich Ihnen schon sagen: Wenn das unvereinbar sein soll – dass jemand Justizminister ist und deshalb nicht in der Lage sein soll, in einem Vorverfahren, in einer Vorerhebung als Zeuge auszusagen –, dann kann man jeden Justizminister, der in Österreich amtiert, abschießen. Da braucht nur der Anzeigende die zeugenschaftliche Einvernahme das amtierenden Ministers zu beantragen, der Staatsanwalt schickt dem Minister eine Ladung, dann wäre schon per se seine Stellung als Zeuge nicht mehr vereinbar mit seiner Stellung als Justizminister. – So kann es doch nicht gehen! Da könnte man jeden Minister beliebig hinausschießen. (Abg. Dr. Kostelka: Ja und?)

Noch etwas – Sie sagen: Na ja, der Staatsanwalt wird jetzt die Einvernahmen durchführen, und der Minister hat eine positive Einschätzung zu Gunsten eines Freundes gemacht. – Welches Verständnis haben Sie denn von der Tätigkeit eines Anwaltes? Welches Verständnis haben Sie denn von der Funktion, von der Persönlichkeit der österreichischen Staatsanwälte? (Rufe bei den Grünen: Des Ministers!)

Glauben Sie wirklich allen Ernstes, dass, wenn ein Minister privat (Abg. Schieder: So privat!)  – und das sei ihm auch wirklich zugestanden, das zeichnet ihn auch aus – zu einem Freund steht und der Auffassung ist (Abg. Schieder: Das war nicht privat!), dass dieser über alle Maßen darüber erhaben ist, sich ein Staatsanwalt in Österreich beeinflussen lässt, die Einvernahme oder die Vorerhebung in der einen oder anderen Richtung durchzuführen? – Das ist doch lächerlich, Herr Kollege! Das wissen wir doch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben eine funktionierende Staatsanwaltschaft in Österreich, wir haben eine funktionierende Oberstaatsanwaltschaft und ein funktionierendes Justizministerium. Es ist ganz einfach lächerlich, wenn Sie glauben, da eine Unvereinbarkeit ableiten zu können.

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Der Prozess, der da jetzt breit getreten wird, hat ja – das wissen wir alle – vor fünf Jahren stattgefunden. Damals ist Dr. Vana – ich habe auch den "Falter" gelesen – aufgetreten. Dr. Vana ist ein Anwalt der Grünen, was absolut nichts sagt; es ist sein gutes Recht, die Grünen zu vertreten. Er hat damals eine ehemalige Grün-Mandatarin vertreten und eine weitere Person aus dem grünen Bereich. – Niemand hat fünf Jahre lang irgendetwas daran gefunden, dass ein Schriftstück vorgelegt wurde. Fünf Jahre lang hat es gebraucht, bis auf einmal der Herr Kollege Vana gegenüber einem Reporter der Zeitschrift "Falter" gesagt hat, das sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. – Keine Anzeige bei der Anwaltskammer, keine Strafanzeige – nichts. Aber auf einmal soll das ein Skandal sein! Herr Kollege Van der Bellen! Das können Sie uns hier nicht weismachen.

Ich sage Ihnen noch etwas, insbesondere in meiner Eigenschaft als Anwalt: Ich empfinde diese Diskussion über die Vorlage beziehungsweise Nichtvorlage von Beweismitteln als falsch. Ich finde diese Diskussion insofern falsch, als sie in Wirklichkeit auf die freie Anwaltschaft und deren Befugnisse durchschlägt. Darf ich Ihnen ein Beispiel sagen, Herr Kollege Van der Bellen:

Wenn in einer Scheidungs-Causa der scheidungswillige Mann seinem Anwalt einen Brief zeigt, den seine Frau von ihrem Liebhaber erhalten hat, dann ist der Anwalt doch selbstverständlich dazu angehalten und auch berechtigt, diesen Brief bei Gericht vorzulegen – wobei möglicher


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