Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 52

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entsprechenden Kommentaren im Bericht der "drei Weisen", der unter anderem in diesem Büchlein hier nachgedruckt ist. (Der Redner hält ein Buch in die Höhe.) Ich empfehle Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, das hin und wieder nachzulesen, insbesondere die Ziffern 95 und 10 dieses Berichtes. Zum Beispiel bezieht sich Ziffer 95 darauf, dass eine solche Position eines Ministers in der Bundesregierung – gemeint ist Böhmdorfer und die Strafverfolgung von oppositionellen Abgeordneten – nicht mit den Verpflichtungen eines Staatsorgans vereinbar ist, wie sie sich aus der Verfassungsstruktur der Europäischen Union ergeben. Das war im September dieses Jahres. – Folgenlos.

Die Regierung nimmt das hin. Die ÖVP schweigt. Das Schweigen zu solchen Fällen ist ein Kennzeichen des neuen Regierens, das uns die ÖVP zu Beginn dieses Jahres angekündigt hat. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere neuen Misstrauensanträge gründen nicht auf § 248, auf dieser nicht bereinigten Geschichte von damals, sondern beziehen sich auf die Unvereinbarkeiten, die Minister Böhmdorfer verkörpert, darauf, dass er oberster Ankläger ist, nämlich als Chef der Staatsanwaltschaft, und gleichzeitig Chefverteidiger der FPÖ und Chefverteidiger von Jörg Haider persönlich sein will. Dass jemand beide Positionen, Chefankläger und Chefverteidiger, in einer Person innehat, das gibt es in keinem Rechtsstaat dieser Welt! – In Österreich wird das jedoch geduldet!

Herr Justizminister! Allein die Bemerkung, die Sie in einem Interview gemacht haben, dass Jörg Haider "über jeden Verdacht erhaben" sei, hätte in einem anderen Staat für einen Rücktritt gereicht! Was immer Sie zu dieser Bemerkung bewogen haben mag: Diese muss als ein unverfrorener und unverhohlener Versuch der Beeinflussung der Exekutive und der Justiz interpretiert werden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Deswegen wird mein Kollege Peter Pilz in der weiteren Debatte noch einen Misstrauensantrag einbringen.

Die andere Regierungsumbildung, die anstünde, wenn ich den Freiheitlichen glauben darf – und ich nehme sie ja im Rahmen des Möglichen durchaus ernst –, ist der Rücktritt von Innenminister Strasser. Seit Wochen trommeln die Freiheitlichen, dass Minister Strasser aufhören soll, sein Amt als Bundesinnenminister neutral wahrzunehmen, sonst werde dies und jenes passieren. Einschüchterungsversuche gibt es jeden Tag, und zwar nicht nur gegenüber dem Innenministern, sondern auch – und das halte ich für besonders verwerflich, und ich verwende dieses Wort mit Bedacht – gegenüber Beamten. Wenn Herr Westenthaler mich angreift, muss ich damit rechnen, denn ich bin Politiker, und ich kann auf der gleichen Ebene reagieren. Aber Beamte des Innenministeriums, den obersten Sicherheitschef des Innenministeriums anzugreifen, das ist wirklich inakzeptabel, Herr Kollege Westenthaler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man muss den Eindruck gewinnen, dass Vorerhebungen wegen des Verdachts auf Verbrechen – es handelt sich nämlich bei dieser so genannten Spitzelaffäre nicht um irgendwas, sondern es besteht der Verdacht eines Verbrechens – Ihrer Meinung nach nur dann zulässig sind, wenn sie sich gegen andere richten, nicht aber, wenn sie sich gegen Angehörige der FPÖ richten! Und es ist, nebenbei bemerkt, typisch, dass Bundesjustizminister Böhmdorfer dazu schweigt, obwohl es sich hier über Wochen hinweg um unverschämte Versuche der Beeinflussung der Exekutive und der Justiz handelt, Herr Kollege Westenthaler! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Auf Grund der Ereignisse von gestern bin ich gezwungen, folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Freundinnen und Freunde, eingebracht im Zuge der Debatte über die Ernennung eines Mitglieds der Bundesregierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der Bundeskanzler und insbesondere der Bundesminister für Inneres werden aufgefordert, allen Versuchen, die Ermittlungen in der Spitzelaffäre zu beeinflussen, entschieden entgegen


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