Sie hat niemand um den Termin gefragt. – Wir leiden alle unter höchster Terminnot, das ist überhaupt keine Frage, aber ich glaube, wenn vier, fünf, sechs Termine angesetzt sind, zu denen Ausschusssitzungen beziehungsweise Hearings stattfinden, so sollte es doch einmal möglich sein, dafür Zeit zu haben. (Abg. Öllinger: Untersuchungsausschuss habe ich gehabt!) Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, nur dann können Sie sich nicht hier herunterstellen und für sich reklamieren, dass Sie die Zeit nicht hatten, um sich mit dieser Gesetzesvorlage zu befassen. (Abg. Öllinger: Einen anderen Ausschuss habe ich auch noch gehabt!) Das ist nicht fair, Herr Kollege Öllinger.
Zum Zweiten: Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem prominenten Journalisten, der sich eher als "linksliberal" deklariert und bezeichnet und auch so schreibt. Dieser hat mir Folgendes gesagt: Seine Ehe ist in die Brüche gegangen, und er hat mit seiner Gattin volle Übereinstimmung darin erzielt, dass die Obsorge in der Zukunft nach der Scheidung beiden Elternteilen zukommen soll. Er war verzweifelt, weil er in Österreich, basierend auf der derzeitigen Gesetzeslage, zunächst keinen Richter gefunden hat, der bereit war, eine gemeinsame Obsorge zu ermöglichen. Er hat dann doch eine Möglichkeit gefunden – Kollege Jarolim wird mir bestätigen, dass es in Ehesachen die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung gibt –, irgendwo an einem entlegenen Bezirksgericht einen verständnisvollen Richter aufzutreiben, der praeter legem oder sogar contra legem, also gegen das Gesetz, eine gemeinsame Obsorge zugunsten beider Ehepartner und zugunsten des Kindes gewährt hat. Beide wollten das so! (Abg. Öllinger: Sind Sie auch dafür?)
Und jetzt komme ich auf die gegenwärtige Situation. Es wurde immer wieder, auch von Kollegin Mertel, der Begriff des Zwangs gebraucht. – Ja bitte, der einzige Zwang, der hier besteht oder bestanden hat, war der, dass nach der bestehenden Gesetzeslage selbst dann, wenn vollste Übereinstimmung über eine beidseitige Obsorge bestand, der Zwang diesem Einvernehmen entgegenstand. Da kann mir niemand erklären, dass das im Interesse des Kindes und im Interesse der beiderseitigen Obsorge ist. Das kann mir niemand erklären, sondern ganz im Gegenteil: Das ist ein Oktroi des Gesetzgebers, ein unangemessenes Diktat des Gesetzgebers zu Lasten des Rechtsunterworfenen, zu Lasten der Kinder und zu Lasten der Möglichkeit einer einvernehmlichen gemeinsamen Obsorge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum zweiten Argument, das Ihnen auch der Herr Bundesminister näher zu bringen versucht hat und das bei Kollegen Jarolim – so wie ich seine Körpersprache und Mimik kenne und verstehe – durchaus auf ein offenes Ohr gestoßen ist, nicht so sehr bei den Damen der Sozialdemokratie, nämlich dass überhaupt kein Zwang besteht, Frau Kollegin Mertel. Verabschieden Sie sich von dieser Mär, dass ein Zwang zu einer gemeinsamen Obsorge besteht! Schauen Sie in das Gesetz hinein!
Was steht denn im Gesetz? – Es steht im Gesetz, dass im Fall einer gemeinsamen Obsorge dem Gericht eine Vereinbarung über die gemeinsame Obsorge vorzulegen ist, und in dieser Vorlage ist auch festzustellen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten wird.
Kollege Öllinger wird mir nun wahrscheinlich Folgendes entgegenhalten: Dadurch entsteht ein Zwang oder eine Zwangssituation, eine Drucksituation. – Ist es nicht so? (Abg. Öllinger: Das ist doch noch etwas differenzierter, als Sie es sagen!) Gut!
Es ist nämlich im Ausschuss immer wieder das Argument der Erpressung gebracht worden, dass also jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt unter dem Druck der Ereignisse oder unter dem Druck einer Gesamtregelung bereit sein könnte, sich einer gemeinsamen Obsorge zu unterwerfen, das aber später innigst bereut oder diese Vereinbarung unter Mentalreservation abschließt und dann ein Leben lang oder bis zur Volljährigkeit beziehungsweise Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes daran gebunden ist.
Bitte, das ist nicht wahr, Frau Kollegin Mertel. Schauen Sie in das Gesetz! Ein einfaches Aufschlagen der Seite 8 und ein einfacher Blick in das Gesetz werden Sie eines Besseren belehren. Wenn nämlich innerhalb einer angemessenen Frist nach der Scheidung – also wenn die Drucksituation vorbei ist – eine Regelung über die Obsorge, über die Ausgestaltung der