Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 180

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Obsorge nicht zustande kommt, dann hat das Gericht eine Entscheidung zu treffen. Aber selbst wenn diese Entscheidung einmal getroffen ist, kann, wenn die gemeinsame Obsorge nicht funktionieren sollte oder die Behauptung aufgestellt wird, dass sie nicht funktioniert, zu jedem x-beliebigen späteren Zeitpunkt jeder der Ehepartner einen Antrag an das Gericht stellen, der darauf abzielt, dass über die Obsorge neu abgesprochen wird.

Und da wird mir doch jeder, der sich mit der Materie befasst, Recht geben, dass überhaupt keine Drucksituation, überhaupt keine Erpressungssituation, wie es immer wieder ins Treffen geführt wurde, vorliegen kann. (Abg. Öllinger: Aber das Geld! Das Geld! Herr Kollege Krüger, wer macht das denn? – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss meiner Ausführungen noch ganz kurz einen Überblick über die Rechtslage in Nachbarländern oder in anderen Ländern der Europäischen Union geben. Über Deutschland wurde bereits gesprochen. Am 1. Juli 1998 ist dort das Kindschaftsrechtsformgesetz in Kraft getreten, und man hat gute Erfahrungen gemacht.

Herr Kollege Öllinger, ich kann Ihnen eines sagen: Es ist schon richtig, es gibt in Deutschland – bekanntermaßen sozialdemokratische Regierung – einen fundamentalen Unterschied bei der Scheidung, und zwar den, dass es in Deutschland nur einen Scheidungsgrund, nämlich Scheitern der Ehe, gibt. Dieser Scheidungsgrund hat aber überhaupt nichts mit einer Obsorgevereinbarung zu tun. Auch dort müssen sich die Elternteile selbstverständlich über die gemeinsame Obsorge einigen. (Abg. Öllinger: Es gibt auch die Abkühlungsphase!)

In Frankreich – bekanntermaßen sozialdemokratische Regierung – gibt es bereits seit 1984 die Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge nach der Scheidung der Eltern. (Abg. Öllinger: Soll es auch geben! Ist auch gut so!) In Schweden, in der von Ihnen so gerühmten Wiege des europäischen Sozialismus, gibt es die gemeinsame Obsorge. Dort ist die gemeinsame Obsorge der Regelfall. In England gibt es den Children Act aus dem Jahr 1989, und auch dieser enthält ganz klare Ausführungen über das Primat der gemeinsamen Obsorge. (Abg. Mag. Prammer: Haben Sie sich auch das Pflegschaftsrecht schon einmal angeschaut?)  – Frau Kollegin, da Sie die Unterhaltsfrage ins Treffen führen: Auch das ist ja wieder so eine Mär! Sie sagen, in erpresserischer Weise würden Unterhaltsansprüche mit der Obsorge verknüpft. Das ist doch nicht wahr!

Ich halte Ihnen entgegen: Wenn sich die Eheteile bei einer einverständlichen Scheidung über die Obsorge und den Unterhalt einigen, nachher aber ihre Meinung ändern, dann kann jeder Eheteil schon drei Tage nach Rechtskraft der Scheidung den Richter anrufen und sagen: Diese Obsorge, die wir vereinbart haben, erkläre ich so quasi für null und nichtig – das ist etwas unjuristisch ausgedrückt –, ich will eine Neuregelung. Das hat doch überhaupt nichts zu tun mit irgendeiner Erpressung oder irgendeiner Drucksituation. (Abg. Mag. Prammer: Sie sprechen wider besseres Wissen!)

Meine Damen von der Sozialdemokratie! Verabschieden Sie sich doch von diesem Fundamental-Standpunkt, den Sie da vertreten! Mit Recht war es bis zum Jahre 1978 Mittelalter, bis zu jenem Zeitpunkt, bis zu dem im ABGB gestanden ist: Der Mann ist das Oberhaupt der Familie. Mit Recht war das Mittelalter, überhaupt keine Frage! (Abg. Dr. Mertel: Kastrationsängste! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber man kann doch auch nicht ins andere Extrem verfallen und sagen: Die Frau ist das Oberhaupt der Familie und hat das Monopol auf Kinder! Das gibt es nicht!

Im Kindschaftsrecht gibt es keinerlei Monopol, sondern es ist ausschließlich gemäß dem Kindeswohl zu entscheiden. (Abg. Mag. Prammer: Halbe-Halbe!)  – Ja, Halbe-Halbe. Frau Kollegin, ich kenne Ihren Ansatz, und ich habe Ihnen im Ausschuss schon gesagt: Sie gehen von dem Ansatz aus, dass bei jeder Scheidung die Eheteile mit Hammer und Sichel aufeinander losschlagen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist ja nicht der Fall, das wissen wir ja aus der Praxis! 90 Prozent der Scheidungsfälle werden einverständlich geschieden, nur bei 10 Prozent kommt es zu einem förmlichen Scheidungsverfahren. Und ich kann Ihnen sagen, selbst bei diesen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite