Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 182

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Damit hätten Sie auf schriftliche Art und Weise Stellungnahmen eingeholt, die eine ernsthafte und ehrliche Diskussion ermöglicht hätten. Das haben Sie aber nicht getan!

Sie haben es dann über Drängen der Opposition mit dem Hearing mehr oder weniger zu kompensieren versucht, aber wie ich heute hier höre, sind die Ergebnisse dieses Hearings offenbar von Ihnen nicht zur Kenntnis genommen worden, oder Sie versuchen, ein anderes Ergebnis darzustellen. Es haben alle Experten, die für eine gemeinsame Obsorge grundsätzlich plädiert haben, darauf hingewiesen, dass diese gemeinsame Obsorge einer sehr sensiblen Vorgangsweise bedarf und nur dann in Betracht gezogen werden sollte, wenn sie außerhalb jeden Streites steht.

Wir alle wünschen uns, dass Ehen, die auseinander gehen, in einem humanen, in einem menschenachtenden Klima beendet werden, aber leider Gottes gibt es das nicht überall. Dort, wo es das nicht gibt, kommt es zu Situationen, in denen die Kinder unter die Räder zu kommen drohen, und davor sind sie zu schützen.

Der alte Entwurf, der eine gemeinsame Obsorge vorgesehen hat, war dadurch gekennzeichnet, dass man gesagt hat, es soll nach dem Streit, diesem heftigen Aufeinanderprallen der Interessengegensätze – und Sie alle wissen, Streitigkeiten bei Ehescheidungen können fürchterlichste Formen annehmen! –, eine Frist vergehen, und danach sollen jene Paare, die sich selbst in der Lage sehen, eine gemeinsame Obsorge so auszuüben, dass sie für das Kind förderlich ist, die Möglichkeit dazu haben.

Durch diese Antragsmöglichkeit, Kollege Krüger – das ist ja unbestritten –, durch diesen Druck und diesen Zwang kommt es sicherlich dazu, dass viele Mütter sagen werden: Na ja, um die alleinige Obsorge zu bekommen und um den Verzicht des Gatten zu erreichen, mit dem ich in einem heftigen Streit bin, verzichte ich auf die Aufteilung, verzichte ich auf Unterhaltsansprüche für mich selbst. Das ist die Realität!

Kollege Krüger, du bist Anwalt, der Minister ist Anwalt. Sie alle, wir alle müssten aus der Praxis doch wissen, dass es so etwas gibt. Dieser Druck ist real, und ihn zu leugnen, ist ganz einfach nicht akzeptabel.

Das, was diese Lösung bewirken wird, ist daher nicht im Interesse der Kinder und auch nicht im Interesse einer reellen Scheidung auf Basis einer sachlichen Situation, sondern wir erzeugen damit eine Drucksituation im Scheidungsverfahren, die unerträglich ist.

Ich komme zum Schluss. Sie sagen immer wieder, wir seien die einzigen in Europa, die diese gemeinsame Obsorge nicht haben. Dazu möchte ich bemerken, wir sind auch einer der wenigen in Europa, die nach wie vor die strittige Scheidung haben, und nicht die Zerrüttungsscheidung. Das führt natürlich auch dazu, dass es immer wieder zu eminenten Auseinandersetzungen, zu emotionalen Mega-Crashs in Beziehungen kommt, und das führt wiederum dazu, dass die Grundlage für eine gemeinsame Obsorge der Kinder denkbar schlecht ist.

Wenn Sie wirklich ernst meinen, was Sie hier vorgeben und behaupten, nämlich im Sinne der Kinder vorzugehen, dann müssen Sie die gesamte Situation betrachten, sensibel damit umgehen und dann eine gesetzliche Gesamtregelung treffen. Das tun Sie aber nicht, weil Sie aus mir völlig unerklärlichen Gründen – das kann auch nicht mit der Budgetsituation und finanziellen Notwendigkeiten argumentiert werden – in einer hochsensiblen Materie zunächst ohne Stellungnahmeverfahren, dann nach einem Expertenhearing – immerhin etwas, aber unter Negierung der dortigen Ergebnisse – eine Lösung präsentieren, die dem, was notwendig ist, nämlich das Wohl der Kinder zu schützen, einfach nicht gerecht wird. Und das bedauere ich sehr. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Der Abänderungsantrag ist das Ergebnis des Hearings!)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.


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