Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 230

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stücks hält Präsident Dr. Fischer eine kurze diesbezügliche Rücksprache mit dem Berichterstatter.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben nur diskutiert, ob das eine Druckfehlerberichtigung oder ein Abänderungsantrag ist. Aber ich nehme an, dass der Ausschuss weiß, was er beantragt.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Kiss: Herr Präsident, das darf man auch ändern! – Abg. Schieder: Nein, nein! Das ist nicht so klar, denn dann stünde es im Ausschussbericht!)

22.33

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird die Wortfolge in § 23 Abs. 3 Fremdengesetz, die besagt, dass der Familiennachzug von Kindern Drittstaatsangehöriger nur bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres möglich ist, als verfassungswidrig aufgehoben. In der Begründung des Erkenntnisses ist ein ganz entscheidender Punkt die Feststellung, dass beim Nachzug drittstaatsangehöriger Kinder minderjährige Kinder unter und über 14 Jahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise ungleich behandelt werden.

Der Abänderungsantrag der Regierungsparteien sieht nun vor, da die Bestimmung mit 31. Dezemer 2000 aufgehoben werden soll, die Altersgrenze für den Nachzug von Kindern in meiner Ansicht nach weiterhin sachlich nicht zu rechtfertigender Weise von 14 auf 15 Jahre zu erhöhen. Im Innenausschuss haben die FPÖ- und ÖVP-Mitglieder die Hinaufsetzung des Zuzugsalters um nur ein Jahr mit mir nicht nachvollziehbaren Argumenten verteidigt.

Nicht nachvollziehbar ist für mich außerdem die von der Bundesregierung gegenüber dem Verfassungsgerichtshof getätigte Äußerung, wonach die meisten mündigen minderjährigen Kinder von Fremden eine Erwerbstätigkeit anstreben würden und nicht die Familieneinheit, sondern die Erwerbstätigkeit und die Gründung eines eigenen Hausstandes im Vordergrund stünden. (Abg. Wattaul: Da kennt sie sich wieder nicht aus!)

In einer von Josef Berghold, Elisabeth Menasse und Klaus Ottomeyer herausgegebenen wissenschaftlichen Studie, die das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur heuer veröffentlichte, wird aber das Gegenteil von den Behauptungen der konservativen Bundesregierung dargelegt. Ein Artikel von Dr. Gerhard Heckfleisch analysiert die schriftliche Befragung von 289 ausländischen und eingebürgerten Jugendlichen in den Bundesländern Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Tirol. 14 Prozent der Befragten waren unter 16 Jahren, 67 Prozent waren 16- bis 19-jährig und 19 Prozent waren älter als 19 Jahre. Von diesen 289 Jugendlichen leben 92 Prozent, also noch fast alle, bei ihren Eltern, 7 Prozent sind verheiratet und leben bei ihrem Mann. Weniger als 5 Prozent leben in einem eigenen Haushalt. Das ist im Vergleich zu den gleichaltrigen österreichischen Staatsbürgern unterdurchschnittlich. Ich habe auch selbst mit Türkinnen und Vertreterinnen anderer Nationalitäten gesprochen, die bestätigt haben, dass vor allem Frauen auf Grund der Traditionen, selbst wenn sie wollten, den Familienverband meist nicht verlassen können und dürfen. – Das sind die Tatsachen, schwarz auf weiß. Aber die Vertreter der Regierungsparteien behaupten frank und frei das Gegenteil, nur weil es ihnen gerade so in den Kram passt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bei der Begründung von Gesetzesanträgen und auch bei Äußerungen gegenüber dem Verfassungsgerichtshof sollte man sich doch etwas genauer an die Tatsachen halten und den Spruch des Verfassungsgerichtshofes sowie neue Erkenntnisse der Wissenschaft gewissenhafter würdigen.

Wenn das Alter beim Familiennachzug von Jugendlichen, wie wir Sozialdemokraten vorschlagen, mit 18 Jahren, also mit der Erreichung der Volljährigkeit festgeschrieben wird, dann belastet das den Arbeitsmarkt nur unwesentlich, vermeidet aber Härtefälle und menschliches Leid.


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