Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 256

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Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Pumberger! Sie hätten das nicht sagen sollen. Erstens ist Heroin kein Therapeutikum, das sollten Sie wissen. Sie haben gesagt, 10 Milligramm Heroin spritzen Sie subkutan. – Das wäre ein schwerer Kunstfehler!

Zweitens sollten Sie wissen, dass 10 Milligramm Morphin die Anfangsdosis bei Tumorkranken ist, und dass diese teilweise 200, 300, 400 Milligramm per os vertragen beziehungsweise brauchen können. Ich würde meinen, dass, wenn wir über diese Dinge reden, ein Minimum an Objektivität, an Faktenwissen und Sachverstand stärker sein sollte als der Wunsch nach Emotion und Populismus beziehungsweise simpler Überredungskunst, die aber weniger Kunst als simpel ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich glaube, es fehlt uns in dieser Debatte zu viel, um das seriös zu diskutieren: medizinisches, pharmakologisches, soziologisches, psychiatrisches und psychotherapeutisches Wissen. Die epidemiologischen Daten sind kaum angesprochen worden. Sie hängen dem Bild einer drogenfreien Gesellschaft nach, das gerne Ihr Wunschbild sein kann, das sich aber in der Realität leider als unrichtig erweist. Und wenn sich die Realität als unrichtig erweist, dann muss man nicht mit Aggression und Verzerrung in der Debatte reagieren, sondern man könnte versuchen, davon wegzukommen, alles auf eine juridische Debatte zuzuspitzen, und einmal ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen.

Ich glaube, mit restriktiven Verboten erreichen Sie nichts anderes – das bestätigen auch zahlreiche Experten – als eine Förderung des Schwarzhandels und der organisierten Kriminalität. Das ist bekannt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist bekannt, dass Sie, wenn Sie Leute in die Illegalität treiben, der Verelendung ganzer Gruppen von Süchtigen, die durch keine anderen Mittel mehr zu retten und auch nicht zu therapieren sind, den Weg ebnen. Wenn Ihnen das recht ist, dann tun Sie so weiter.

Ich finde es völlig falsch, medizinisch und menschlich unverantwortlich, Begleitkriminalität und Hepatitisvirusinfektionen beziehungsweise HIV zu fördern, was letztlich dadurch geschieht, wenn man die Leute nur noch in die Hinterhöfe und in die Illegalität schickt.

Alle Länder, die einen liberaleren Umgang haben, verzeichnen wohl keinen Rückgang der absoluten Zahl der Süchtigen – da haben Sie schon Recht –, aber einen Rückgang der organisierten Kriminalität, einen Rückgang der Begleiterkrankungen und einen Rückgang der gesamten Beschaffungsdelikte. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) – Sie mögen vielleicht von Kanonen oder ähnlichem etwas verstehen, aber davon wenig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir alle brauchen sozusagen in unserem Leben mehrere Krücken, da zähle ich mich auch dazu. Es gibt die Spielsucht, die Fresssucht, ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): ... die Fettsucht, und auch die Sucht, die Promillegrenze nicht herabsetzen zu wollen; und auch die Schnüffelsucht, die Spitzelsucht, die allerdings noch nicht als Erkrankung gewertet wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich sage Ihnen ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Verglichen mit der modernen Drogenpolitik der Schweiz nehmen sich die Pläne unserer Bundesregierung aus wie die Statuten des Kameradschaftsbundes der Alphornbläser. Wenn Ihnen das recht ist, dann tun Sie weiter so! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

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