Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 45. Sitzung / Seite 34

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lesen Sie nach bei der EU-Kommission. Sie hören mit dem Schuldenmachen gar nicht auf. Sie wollen nur den Sozialstaat ruinieren. Das ist Ihre Strategie! (Beifall bei der SPÖ.)

Jedes vernünftige Land Europas versucht heute, dass die europäische Konjunktur stabilisiert werden kann – über alle Arten von Steuern plus einer erhöhten Beschäftigung –, weil das die wesentlichste Einnahmequelle auch für das Budget ist. Und alle Staaten, die in Europa bisher Überschüsse erreicht haben, haben es so gemacht. – Sie gehen einen gegensätzlichen Weg. Sie senken die Einkommen der Österreicher durch die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte, Sie leisten einen Beitrag dazu, dass das Wirtschaftswachstum für das nächste Jahr bereits nach unten revidiert werden muss, was einen wesentlichen Einnahmenentfall verursachen wird, und Sie vereinbaren zum Dritten in einer Zeit, in der Sie vom Sparen reden, Mehrausgaben in zweistelligen Milliardenbeträgen, die nicht dringend erforderlich sind. Daher ist das kein Sparprogramm, sondern ein Umverteilungsprogramm, meine sehr verehrten Damen und Herren! Betreiben Sie keinen Etikettenschwindel! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Hintergrund ist relativ einfach erkennbar. Sie wollen die Grundfesten des Wohlfahrtsstaates durch Maßnahmen, die letztendlich die Solidarität in dieser Gesellschaft untergraben, beseitigen. Und daher lautet die Grundfrage bei diesem Budgetbegleitgesetz: entweder Ellbogengesellschaft, das heißt Regierungspolitik, oder Modernisierung des Wohlfahrtsstaates, das ist sozialdemokratische Politik! (Beifall bei der SPÖ.– Abg. Ing. Westenthaler: Es ist zu befürchten, dass Sie das alles glauben, was Sie sagen!)  – Mit Glaubensfragen haben Sie es schwer, Herr Westenthaler, ich weiß. Sie glauben nicht einmal den Unterlagen, die Ihnen Ihre eigenen Spitzel zutragen. Das haben wir in der Vergangenheit schon festgestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer täglich ins Fernsehen! Live!)

Der zweite Punkt: Wie ist das Budgetbegleitgesetz zustande gekommen? – Offensichtlich durch unqualifiziertes Gebrüll des Herrn Westenthaler, so sieht es nämlich auch aus. So sieht es auch aus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie lassen sich aber leicht aus dem Konzept bringen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist das erste Budgetbegleitgesetz, das konsenslos ins österreichische Parlament eingebracht wurde. Bisher war österreichische Tradition, dass unter den wesentlichen Sozialpartnern, Interessenvertretungen et cetera Konsens vor einer Einbringung ins Parlament erzielt wird. Und diese beiden Säulen – Konsensdemokratie, Konsens mit den wesentlichen Sozial- und Wirtschaftspartnern und Modernisierung des Wohlfahrtstaates – sind zwei Kernsäulen, auf denen der wirtschaftliche und soziale Aufstieg Österreichs aufgebaut war. (Abg. Dr. Martin Graf: So wie die "Konsum"-Säule!) Und genau diese beiden Säulen sind Sie dabei zu demontieren.

Daher ist die Debatte und die Entscheidung über dieses Budgetbegleitgesetz eine Grundsatzentscheidung für die künftige Entwicklung unseres Landes. Wir sind am Scheideweg: Entwickelt sich Österreich in eine Ellbogengesellschaft mit Konfliktdemokratie oder entschließt sich Österreich dazu, den Weg vom Wohlfahrtsstaat, Modernisierung des Wohlfahrtsstaates und Konsensdemokratie weiter zu gehen? – Das ist die Frage, die vor uns liegt.

Ich bin der Auffassung, dass das keine Frage ist, die allein durch eine Regierung oder ein Parlament zu entscheiden ist, weil das eine Grundsatzfrage für die künftige Entwicklung unseres Landes ist, die im Übrigen noch Generationen nach uns betreffen wird. Daher bin ich der Auffassung, dass in einer so grundsätzlichen Auseinandersetzung die österreichische Bevölkerung das Recht haben muss, über diese Weggabelung zu entscheiden: Wollen wir Ellbogengesellschaft plus Konfliktdemokratie oder wollen wir Modernisierung des Wohlfahrtsstaates plus Konsensdemokratie? (Abg. Ing. Westenthaler: Die Entscheidung ist am 3. Oktober gefallen!)

Wenn Sie sagen, die Entscheidung darüber wurde am 3. Oktober gefällt, dann sage ich: Sie haben erneut mit gezinkten Karten gespielt, denn diese Grundsatzentscheidung hat niemand von den beiden Regierungsparteien der österreichischen Bevölkerung vor dem 3. Oktober präsentiert! (Beifall bei der SPÖ.)


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