Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 39

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ständnis, das man der Neutralität seit den fünfziger Jahren beigemessen hat, allein schon mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union unvereinbar ist, unvereinbar ist mit der klaren Verpflichtung, die die damalige Bundesregierung gegeben hat, nämlich sich vorbehaltlos an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu beteiligen. Das hat mit den Bedingungen für die klassische Neutralität nichts zu tun. (Abg. Dr. Lichtenberger: Auch diese Dinge haben wir genannt, oder?)

Ich habe aber schon von der vorigen Bundesregierung gehört, wie man das Neutralitätsgesetz, das selbstverständlich Bestand hat, interpretiert: nicht an einem Krieg teilnehmen, keine permanente Stationierung von fremden Soldaten und keine Mitgliedschaft in einem Militärbündnis. Wenn es kein Problem gewesen wäre, hätte man ja nicht diesen Artikel 23f beschließen müssen. Er ist Bestand der österreichischen Bundesverfassung, und mit dieser Interpretation, die auch sozialdemokratische Bundeskanzler über das Neutralitätsgesetz abgegeben haben, mit dem Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz gibt es eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage für die Beteiligung Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Nur das verfolgen wir – nicht mehr, aber auch nicht weniger, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Und die Beistandspflicht?)

Sie haben gesagt, wir verfolgen ein Sicherheitskonzept des vorherigen Jahrhunderts. Ich will jetzt nicht über die Sicherheitskonzepte des vorigen Jahrhunderts diskutieren. Selbstverständlich ist es wichtig, einen umfassenden Sicherheitsbegriff zu haben, wo wir auch Krisenprävention in den Vordergrund stellen – na selbstverständlich! –, wo wir Krisenbewältigung, aber auch Krisenreaktion in die Diskussion bringen. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen – und das wäre schon einmal ein Konsens –, dass auch militärische Aspekte in diesem umfassenden Sicherheitsbegriff enthalten sein müssen. Wenn wir gerade an die furchtbare Katastrophe der letzen zehn Jahre am Balkan denken: Auch Sie wissen ganz genau, dass durch schöne Worte und Verhandlungen derartige Kriegsverbrecher leider nicht in die Schranken zu weisen sind und dass es eben notwendig ist – wenn auch nicht ausreichend –, derartige Probleme auch mit einer gewissen militärischen Kapazität zu lösen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ein seltsames Verständnis von Prävention!)

Sie fragen: Welche Bedrohung gibt es denn für Österreich? – Frau Kollegin Lunacek: Welche Bedrohung hat es 1990 gegeben? Wir alle waren euphorisch und haben gesagt: Zerfall des Kommunismus, Aufweichung der Blöcke, jetzt bricht ein Zeitalter von Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa an! – Nur ein Jahr später mussten österreichische Soldaten ausrücken, um das Land nach Süden gegen serbische Truppen zu sichern. Dieselben Personen – auch Politiker –, die noch wenige Jahre zuvor hier im Parlament Misstrauensanträge gegen Verteidigungsminister, die den Draken beschafft haben, eingebracht haben, haben dann genau nach diesen Draken gerufen, als die ersten serbischen MIGs über Graz geflogen sind. (Abg. Dr. Petrovic: Wer hat gerufen? Wir haben nicht gerufen! – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Sie haben zu Recht danach gerufen, denn es ist das Recht der Bevölkerung und auch der Politik, dass sie nach dem Bundesheer rufen, wenn es benötigt wird. Nur müssen wir eben Vorsorge betreiben, bevor etwas passiert, um im Ernstfall entsprechend reagieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir da den richtigen Weg gehen: dass wir zuerst eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin umfassend diskutieren, dass wir darauf aufbauend die Aufträge an die Landesverteidigung definieren und dass wir dann auch die Diskussion über Heeresgliederungen und auch über die Notwendigkeiten bei Personal und Beschaffung in Angriff nehmen.

Was die Unterstützung dessen angeht, ersuche ich, dass man nicht nur hier im Parlament, dass man nicht nur bei Angelobungen diese Unterstützung zum Ausdruck bringt, sondern auch dann, wenn es unpopulär ist, nämlich auch dann, wenn Geldmittel aufzubringen sind, um diese Aufträge erfüllbar zu machen. Über die Stimmung in der Bevölkerung mache ich mir da keine Sorgen: 250 000 Zuschauer bei der "Air-power 2000", als wir unsere Luftstreitkräfte präsentiert


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