Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 97

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Hat nicht das Ausland – vielleicht bis auf jene damals in Diskussion stehende Anmerkung des amtierenden deutschen Bundesaußenministers – ein unverfälschtes und richtiges Bild, wenn man die Auslandspresse der Jahre 1933 bis 1938 oder auch nach 1945 betrachtet oder wenn man die Moskauer Deklaration von 1943 oder auch die Präambel des Staatsvertrages von 1955 liest?

Dieses Ausland hat und hatte das richtige Bild! Hitler-Deutschland hat Österreich militärisch überfallen und okkupiert. Und ich möchte hinzufügen: Hitler-Deutschland wurde dabei von einer gewalttätigen und hochverräterischen fünften Kolonne in Österreich unterstützt.

Die österreichische Bevölkerung, ein großer Teil von ihr, und die österreichische Regierung haben sich in einem Abwehrkampf gegen diesen Versuch der Unterwanderung durch die fünfte Kolonne der Nationalsozialisten in diesem Land gestellt. Das haben so unverdächtige Zeitzeugen wie Karl Kraus in "Die dritte Walpurgisnacht" oder Bertolt Brecht in "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" beeindruckend geschildert.

Nicht umsonst gab es etwa ab dem 25. Juli 1942 – einem ganz bewusst gewählten Datum – in den USA einen von 13 Gouverneuren und dem damals sehr einflussreichen Senator Pepper organisierten "Austrian Day", an dem genau an diesen Abwehrkampf Österreichs von 1933 bis 1938 erinnert wurde. Und nicht umsonst gab es in den USA das Projekt einer österreichischen Legion zur Beteiligung an der militärischen Befreiung Österreichs. Diese Legion ist bekanntlich am Widerstand der sozialistischen Emigration gescheitert, weil diese sich erst nach 1945 langsam vom Gedanken des großdeutschen Einheitsstaates in vollem Umfang lösen konnte.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie daher: Warum sollte die Bundesregierung, sollte die Frau Bundesministerin dieses Geschichtsbild im Ausland revidieren wollen? Sollen wir denn heute nachträglich der Nazi-Propaganda Recht geben, die immer versucht hat, den militärischen Überfall auf Österreich als Wunsch eines überwiegenden Teiles der Bevölkerung darzustellen?

Es schreibt am 15. November in der "Presse" Herr Dr. Vetter, ein Gastkommentator – ich zitiere –:

"Die Aufarbeitung der österreichischen Geschichte kann nicht darin bestehen, im Jahr 2000 endlich den Goebbels’schen Lügen über die nationalsozialistische Einstellung Österreichs Glauben zu schenken." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das darf nicht geschehen! Das sind wir alle den Opfern des Naziterrors in Österreich von 1933 bis 1938 und auf dem Gebiet Österreichs von 1938 bis 1945 schuldig. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

15.35

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir waren schon weiter. Mit der Erklärung des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky hat auf politischer Ebene das stattgefunden, was die Geschichtswissenschaft in Österreich zu diesem Zeitpunkt schon längst – Herr Kollege Kurzmann, ohne Revision! – als richtig und wichtig erkannt hat und was mit dem Satz "Österreich war nicht nur Opfer, sondern auch Täter" sicherlich verkürzt wiedergegeben wird.

Aber nachdem in der vorigen Woche in diesem Haus ein Buch über Österreich unter der nationalsozialistischen Herrschaft präsentiert wurde – ein Sammelband –, möchte ich ganz kurz aus einem Beitrag des Zeithistorikers Hanns Haas aus Salzburg über die Zeit vor dem "Anschluß" zitieren.

Da heißt es als Kapitelüberschrift zum Beispiel "Anschluss von innen" und "Österreich wird unterwandert". Das beschreibt die österreichische Realität in der Zeit vor dem eigentlichen "Anschluß", vor dem Einmarsch der militärischen Truppen des Naziregimes. Österreich war schon


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