Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 98

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

damals – darauf hat Kollege Kurzmann durchaus hingewiesen – nicht mehr frei. Aber das ist nur eine Seite der Realität, die damals bestanden hat.

Es geht nicht nur darum, dass wir damals ein unfreier Staat waren. Es geht auch darum, welches Verhalten die österreichische Bundesregierung unter Dr. Kurt Schuschnigg gegenüber Hitler, gegenüber dem großdeutschen Reich gesetzt hat, indem es sich selbst als zweiter deutscher Staat bezeichnet hat und Minister – nicht nur Seyss-Inquart, sondern auch Gneise-Horstenau  – schon 1936, nach dem Juli-Abkommen, in die Regierung aufgenommen hat, deren Funktion es war, die Verbindung zu den Nationalsozialisten im Deutschen Reich, aber auch innerhalb Österreichs herzustellen. Dieser Gneise-Horstenau war zum Beispiel ein Minister ohne Portefeuille, dessen einzige Aufgabe es offensichtlich war, die Nazis, die vorher wegen illegaler Betätigung festgenommen worden waren, zu amnestieren.

Wenn Sie schon auf den militärischen "Anschluß" zu sprechen kommen, dann möchte ich Ihnen entgegenhalten, dass von militärischer Seite her als eine Konzession der Regierung Schuschnigg der Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres Jansa, der als Einziger erkannt hat, was auf Österreich zukommt und Aufmarschpläne für das österreichische Bundesheer entwickelt hat, die natürlich den Nazis nicht unbekannt geblieben sind, auf Drängen der Nazis und von Hitler als Generalstabschef abgesetzt wurde. – Das sind Realitäten! Das sind Realitäten, die nicht verschwiegen werden dürfen! (Abg. Kiss: Wer hat sie denn verschwiegen?!)

Es geht nicht nur darum, dass Österreicherinnen und Österreicher ab 1938, ab dem Tag des Einmarsches – teilweise auch schon vorher, als illegale Nationalsozialisten – als Nationalsozialisten tätig waren und dem "Anschluß" zugejubelt haben, sondern es geht auch darum, dass die Institutionen dieser damaligen österreichischen Regierung, dieser politischen Verfassung, dem Druck nicht standhalten wollten und nicht standhalten konnten.

Es geht um eine Kooperation, um ein Liebäugeln bis hin zum Berchtesgadener Treffen zwischen Schuschnigg und Hitler, als Schuschnigg erklärte und Hitler wissen ließ (Abg. Kiss: Das ist allgemeiner wissenschaftlicher Standard!), dass er auf lange Sicht mitmachen könne, dass die Schnelligkeit das Einzige sei, was ihn an dem Drängen Hitlers, sich zu unterwerfen, störe; aber auf lange Sicht könne er mitmachen. (Abg. Kiss: Jeder, der sich mit der Zeitgeschichte auseinander setzt ...!)

Meine Damen und Herren! Da geht es nicht darum, zu richten, das steht mir nicht zu. (Abg. Donabauer: Sie sind aber ein sonderbarer Geschichtsforscher!) Das steht mir nicht zu! Es geht um historische Fakten, die auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, nahe gebracht werden können.

Ich habe gesagt: Wir waren schon weiter, und ich würde mir wünschen, dass wir dort, wo wir schon waren, anknüpfen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Historiker wirst du nicht mehr!) Um mit einem Wort eines früheren Bundeskanzlers – eines anderen – zu enden (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Lernen Sie Geschichte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Kurzdebatte ist damit geschlossen; und auch die Langdebatte.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kehren zurück zur Tagesordnung.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen mit der Verhandlung der Beratungsgruppe III: Äußeres.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite