Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 50. Sitzung / Seite 25

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10.07

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere jene von den Regierungsfraktionen! Zwei Tage später lässt sich das burgenländische Wahlergebnis nicht mehr korrigieren – durch welche Aufregung auch immer. Das kann und wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn heute schwarze, rote, grüne – es mag auch manche blaue Lehrerinnen und Lehrer geben (Abg. Dr. Gusenbauer: Wenige!), obwohl ich da nicht allzu viele darunter vermute – Lehrer und Lehrerinnen demonstrieren, so ist das ihr gutes Recht, und Sie sollten sich eigentlich überlegen, warum Betroffene aus allen politischen Lagern auf die Straße gehen, und nicht nur Betroffene, die den Oppositionsparteien nahestehen. Das dürfte doch etwas mit Regierungspolitik zu tun haben. Die Menschen in Österreich haben offensichtlich nicht genug Vertrauen, dass die offizielle Politik ihre Probleme lösen kann; sie wollen die Regierung auf ihre Probleme aufmerksam machen. Das ist in Demokratien durchaus üblich. (Beifall bei den Grünen.)

Es hat in den letzten Jahren immer wieder Aufrufe von Regierungen gegeben, das Demonstrationsrecht einzuschränken. Kein einziger dieser Aufrufe ist von einer Regierung eines EU-Staates gekommen. Im besten Falle waren das Regierungen osteuropäischer Staaten, von denen die meisten sich nicht mehr im Amt befinden. Dort haben sich auf friedlichem Weg Menschen, die die Demokratie und das Demonstrationsrecht vertreten haben, durchgesetzt. – In Österreich müssen sie sich nicht durchsetzen, weil der Rechtsstaat stark genug ist.

Ich mache Sie auf Folgendes aufmerksam: Die Stärke einer Demokratie liegt darin, wie sie mit Konflikten umgehen kann. Die österreichische Demokratie hält Demonstrationen aus (Beifall bei den Grünen) – diese österreichische Bundesregierung hingegen hält offensichtlich keine Demonstrationen aus! Ich mache mir keine Sorgen über den österreichischen Rechtsstaat, sondern ich mache mir besten- oder schlimmstenfalls Sorgen über den Zustand dieser Bundesregierung.

Es gibt eine Meldung einer "Chaoten"-Organisation, die verharmlost – ich zitiere –: "In Wien gab es zwar ausgedehnte Stauungen durch die Blockadeaktionen, doch das befürchtete absolute Chaos ist ausgeblieben." – Zitatende.

Diese "Desinformation", mit der die Politik der "Chaoten und Chaotinnen" verharmlost wird (Ruf bei den Freiheitlichen: Der ORF war das!), stammt vom "Chaoten"-Zentrum ÖAMTC. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Demonstranten und Demonstrantinnen können sich ihre Bündnispartner offensichtlich nicht aussuchen.

Jetzt, nach der skurrilen Aufregung über wenig bis nichts, etwas für mich sehr Ernstes in diesem Zusammenhang – und ich wechsle jetzt nur scheinbar das Thema –: Ich habe vor kurzem erfahren, dass der österreichische Dichter H. C. Artmann gestorben ist. Ich habe H. C. Artmann als Dichter bewundert und als Menschen persönlich sehr geschätzt, und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir als Wiener Grüne gemeinsam mit Sozialdemokraten, vielen Künstlerinnen und Künstlern ein Fest für H. C. Artmann organisiert haben – nicht nur deshalb, weil wir mit ihm feiern wollten, sondern auch deswegen, weil H. C. Artmann vor wenigen Jahren sehr persönlichen und sehr beleidigenden Angriffen seitens der Freiheitlichen Partei ausgesetzt war.

Es hat damals Aktionen gegen H. C. Artmann gegeben, die man mit Recht als Kampagne bezeichnen kann, und ich habe das erlebt und miterlebt, wie H. C. Artmann durch diese Aktionen auch persönlich tief getroffen war. Die Solidarität mit ihm von sehr vielen Seiten hat damals bewirkt, dass die Angriffe der Freiheitlichen Partei – wie in vielen anderen ähnlichen Fällen – nichts gebracht haben. H. C. Artmann ist aus dieser Auseinandersetzung – wie die gesamte österreichische Kunst und Kultur – stärker und mit mehr Unterstützung hervorgegangen.

Und Folgendes sage ich Ihnen aus diesem Anlass: Was immer Sie tun, meine Damen und Herren, insbesondere jene von der Freiheitlichen Partei, wen immer Sie persönlich angreifen, wen immer Sie diffamieren – egal, ob es Künstler sind, Vertreter des Rechtsstaates, Polizeibeamte, Journalisten oder politische Konkurrenten ...


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