Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 50. Sitzung / Seite 113

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Jetzt frage ich Sie schon: Wann und wo nehmen Sie, Herr Abgeordneter Verzetnitsch, Ihre Aufgaben als Abgeordneter wahr? – Nicht hier herinnen! Sie werden um 17 Uhr mitdemonstrieren oder mit die "Menschenkette" bilden. Und Sie werden – und das ist noch erstaunlicher – morgen nicht hier im Plenarsaal sein, sondern bei einer Demonstration in Nizza. Jetzt frage ich Sie: Was haben Sie als Abgeordneter und ÖGB-Präsident am 6. Dezember dieses Jahres in Nizza verloren? (Abg. Verzetnitsch: Fragen Sie den Bundeskanzler, was er übermorgen dort macht?)

Entschuldigen Sie schon, Herr Präsident Verzetnitsch: Sie haben hier als Abgeordneter dabei zu sein, wenn es darum geht, über das Budget 2001 dieser Republik abzustimmen – und nicht mit zu demonstrieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Verzetnitsch –: Dafür werden Sie auch bezahlt! – Abg. Ing. Westenthaler: Unentschuldigt! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Aber Ihnen, Herr Präsident Verzetnitsch und Ihren Genossen entgleitet das Demokratieverständnis, denn wenn Presseaussendungen über Maßnahmen oder über Gegebenheiten, die um 17 Uhr stattfinden werden, bereits um 14 Uhr veröffentlicht werden, so erinnert das an unselige Zeiten.

400 Bauarbeiter von durchschnittlich 262 000 Beschäftigten werden an dieser "Menschenkette" teilnehmen. – Das ist wirklich eine traurige Angelegenheit, und da muss man hoffen, dass die Bezahlung der dafür anfallenden Spesen dann ordnungsgemäß versteuert wird. Daran kann ich nur noch einmal appellieren, zumal unter den Augen des damaligen Herrn Finanzministers Edlinger gerade die Bau- und Holzarbeiter-Funktionäre ihre Steuern, wie wir wissen, nicht ordnungsgemäß abgeliefert haben, Nicht jede Maßnahme einer politischen Partei oder einer Bundesregierung findet uneingeschränkte Zustimmung.

Ich frage Sie nur, Herr Präsident Verzetnitsch: Wo waren Sie die letzten zehn Jahre? Da hat es massive Verschlechterungen für die Arbeitnehmer gegeben. Da war das "Schweigen der Lämmer" und das Schlummern des Präsidenten immer eines: Am Vormittag hat er vielleicht noch beim ÖGB-Bundesvorstand hin und wieder ein bisschen Kritik geübt, am Nachmittag hat er zu allen Maßnahmen sein Ja und Amen gesagt.

Da Präsident Verzetnitsch heute so besonderen Wert darauf legt, dass alle ÖGB-Führungskräfte der Bildung dieser "Menschenkette" zugestimmt hätten, muss ich daran erinnern, dass es auch Beschlüsse des ÖGB-Vorstandes gegeben hat, die nicht die Einstimmigkeit gefunden haben. Aber mit keinem Wort hat Präsident Verzetnitsch das jemals erwähnt.

Weil Sie immer von Solidarität sprechen: Die Solidarität unter den Arbeitnehmern ist noch immer gegeben, nur die Solidarität unter den Gewerkschaftsfunktionären nicht mehr; dort kam es zu einem heillosen Durcheinander. Solange die SPÖ den Bundeskanzler, den Finanzminister und den Sozialminister gestellt hat und ihre Organisationen und Unterorganisationen aus dem Vollen schöpfen konnten, so lange war die Welt in Ordnung. Wenn Gelder für "Euroteam" & Co zur Verfügung gestanden sind, war die Welt in Ordnung. Wenn Arbeiterkammer und ÖGB Beträge in Millionenhöhe aus dem Budget des Sozialministeriums erhalten haben, war die Welt in Ordnung. – Jetzt aber ist eine andere politische Konstellation gegeben, und es scheint für Sie geradezu der "Weltuntergang" eingetreten zu sein.

Ich darf Ihnen nur Folgendes sagen und an Sie nochmals appellieren: Erinnern Sie sich daran, dass Österreich auf stabilen demokratischen Beinen steht! Gefährden Sie mit Ihren Maßnahmen nicht diesen Weg und diesen Kurs! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man sollte der Wahrheit eine Chance geben. Man sollte der Öffentlichkeit durchaus einmal sagen, warum denn die AHS-Lehrer streiken. (Abg. Grabner: Sie sollten das der ÖVP sagen!) Es ist ja interessant, warum die AHS-Lehrer streiken. – Sie streiken, weil ein Klassenvorstand für eine monatliche Zulage von 2 000 S eine Stunde länger arbeiten soll. Das ist der Streikgrund Nummer eins. Streikgrund Nummer zwei ist, dass für eine Überstunde 385 S einheitlich gezahlt werden und nicht mehr je nach Einstufung des AHS-Lehrers. – Jetzt frage ich Sie: Welcher Arbeiter und Angestellte in Österreich bekommt für eine Überstunde 385 S? Schauen Sie einmal


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