Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 50. Sitzung / Seite 214

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Beratungsgruppe V

Kapitel 30: Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum nächsten Budgetkapitel. Es ist dies die Verhandlung über die Beratungsgruppe V: Justiz.

Wird mündliche Berichterstattung gewünscht? – Frau Abgeordnete Papházy wünscht keinen Bericht. Daher können wir gleich in die Beratungen eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

23.01

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst noch eine Anmerkung zu Herrn Kollegen Großruck, zu seinem Debattenbeitrag von vorhin, und eigentlich auch zu den anderen Damen und Herren von den Regierungsparteien. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Dass Sie angesichts der Vorkommnisse der letzen Zeit, angesichts eines unglaublichen versuchten Eingriffs der Vizekanzlerin in die freie Justiz – ich werde später noch darauf zurückkommen –, eines Eingriffs, der die Richter und Staatsanwälte in einem bis dato noch nicht da gewesenen Ausmaß zu einem Aufschrei bewegt hat, dass Sie bei einem solchen Thema, obwohl wir gleichzeitig in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "NEWS" lesen, dass es – ein weiterer Eklat – eine Anzeige gegen den Justizminister wegen Wiederbetätigung gibt, hier heute versuchen, dieses Thema, von dem Sie gewusst haben, dass wir dazu eine Dringliche Anfrage machen wollen, dadurch zu unterlaufen, dass Sie Ihrerseits eine Dringliche Anfrage eingebracht haben, mit der Sie im Grunde nichts anderes gemacht haben, als das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und Demonstration zu verunglimpfen, hat mich einigermaßen entsetzt. Ich muss sagen, ich finde eine derartige Vorgangsweise außerordentlich beschämend! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Das Budgetkapitel Justiz dient immer dazu, eine Generaldebatte zu Justizthemen zu führen, eine Generaldebatte, die üblicherweise einen Rückblick auf Gesetze, die in Kraft gesetzt worden sind, und eine Vorschau auf zukünftige Gesetze zum Gegenstand hat. Angesichts der Vorkommnisse, die wir alle kennen und die Sie zum Teil leugnen, zum Teil zum Anlass dafür nehmen, um hier an dem zu rütteln, was an verantwortungsvollem Verhalten erforderlich ist, ist es meiner Ansicht nach notwendig, hier nicht so sehr die Justizpolitik, sondern vielmehr die neun Monate Böhmdorfer und die Entwicklung, die unter Böhmdorfer und unter dieser Regierung stattgefunden hat, Revue passieren zu lassen, jene Entwicklung, die das Land in eine Richtung bewegt hat, die wir noch bis vor kurzem für völlig unmöglich gehalten haben.

Herr Bundesminister! Die Bilanz ist nicht nur auf Grund Ihres Wirkens, sondern auch auf Grund des Wirkens der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen hier im Haus schlicht und einfach katastrophal. Das ist nicht nur inhaltlich gemeint. Sie hätten eingangs – als Sie Ihr Amt angetreten haben – doch die Möglichkeit gehabt, bei dem damals vielfach belächelten Khol-Fekter-Kurs zu zeigen – ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ändert natürlich nichts am Umstand –, dass Sie in der Lage sind, die so genannte Programmatik, die damals vorgestellt wurde, irgendwo in die Schranken zu weisen, zu verbessern und etwas daraus zu machen, was dem Begriff Justizpolitik gerechter wird.

Sie haben sich anfangs phasenweise durchsetzen können. Im Laufe der Zeit ist allerdings aus dieser Konfrontation etwas geworden, was meiner Ansicht nach eine Aufgabe einer vernünftigen Justizpolitik ist und hin zu dem führt, was auch anlässlich der Justizprogramm-Präsentation viele Experten festgestellt haben, nämlich zu einem Zurück in die Steinzeit der Justizpolitik. Nicht nur, dass die Diversion, die Sie abschaffen wollten, den Bundespräsidenten auf den Plan gerufen hat, nicht nur, dass Sie im Suchtmittelgesetz vom Grundsatz "Therapie statt Strafe" abgegangen sind und einen Weg beschritten haben, der in Europa einzigartig ist und der, wenn es nicht so traurig wäre, eigentlich Gelächter auslösen müsste, sind Sie hinsichtlich der gemeinsamen


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