Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 97

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Erstens: Faktum und unbestritten ist, dass die österreichischen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung unter dem europäischen Durchschnitt liegen. – Das ist schon so fad, dass ich es gar nicht noch einmal wiederholen möchte.

Zweitens: Es ist international anerkannt, dass gerade Kleinstaaten sehr stark und überwiegend auf die öffentliche Finanzierung angewiesen sind, weil die so genannte Aggregationskapazität der Privatwirtschaft in Österreich nicht geeignet ist – wie in vielen Kleinstaaten –, genügend Drittmittel für den Forschungs- und Entwicklungsbereich zur Verfügung zu stellen.

Drittens: Faktum und innerösterreichisch, verglichen mit der internationalen Lage, unikal ist, dass 90 Prozent der öffentlichen Aufwendungen durch die Republik, sprich: den Bund, finanziert werden und nur knapp 10 Prozent – da kann man jetzt streiten, 10 oder 12 Prozent – von den Ländern. Ich glaube, auch da wäre etwas zu tun. Wir sind ein Bundesstaat – das ist mir klar; ich will das auch nicht ändern, Sie brauchen nicht zu erschrecken –, aber die ewigen Verbeugungen vor den Ländern sind für die Republik – ein gewagtes Wort – nicht nur positiv.

Viertens: Der private Finanzierungsanteil aus dem Bereich der Wirtschaft und der Industrie ist in Österreich unterdurchschnittlich, und es fällt auf, dass gerade im Bereich Industrie und Wirtschaft jene, die die jetzige Situation der Forschung und Entwicklung in Österreich am heftigsten kritisieren, selbst relativ – mit wenigen Ausnahmen – kümmerliche Beiträge für deren Fortkommen und Konkurrenzfähigkeit leisten.

Fünftens: Felderer und Campbell stellen in ihrem Buch "Forschungsförderung in Österreich" fest, dass der größte Mangel in Österreich wohl darin liegt, dass kein forschungsfreundliches Klima besteht und dass vielfach die bloße Anwendung von Wissenschaft mit Forschung verwechselt wird. Und da bitte ich Sie, gerade im Sektor Technologie und wirtschaftsnahe Forschung schon zu differenzieren, was Forschung und was bloße Anwendung ist. Nicht jedes Anlegen eines EKG-Gerätes – um aus meinem Bereich zu sprechen – ist Forschung, sondern das ist angewandte Wissenschaft. Das ist nicht zu schwer, man kann es schaffen, zu trennen.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Japan war berühmt für seine anwendungsorientierte Forschung. Dort ist man vor zwei Jahren auf Folgendes draufgekommen: Wenn man über Jahre die Grundlagenforschung vernachlässigt und letztlich alles angewandt wurde, was die Grundlagenforschung an den Tag und ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat, entsteht plötzlich eine Lücke, und dann steht man vor dem Umstand, dass man nicht mehr schöpfen kann, weil nichts mehr da ist, was noch angewandt werden kann. Japan hat dann beschlossen, die Mittel für die Grundlagenforschung um 100 Prozent zu erhöhen. – Das fordere ich von Ihnen jetzt nicht, denn das wäre unrealistisch, aber man sollte überlegen, wie die Balance zwischen anwendungsorientierter Forschung und Grundlagenforschung wirklich vernünftig ausgesteuert werden kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, dass es Aufgabe Ihres Ressorts, Frau Minister, sein wird, die drei mit der Forschung und Technologie befassten Ministerien stärker zu vernetzen, weiters die Balance zwischen Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung zu garantieren und schließlich auch zu überlegen, wie man kritische Massen herstellen kann, um Schwerpunkte zu setzen, ohne die notwendige Vielfalt, die ja auch kreativitätsfördernd wirkt, aufs Spiel zu setzen.

Wir sind dem Rat für Forschung und Technologie eigentlich immer kritisch gegenübergestanden, und zwar aus dem Grund, weil uns das Ausleseverfahren wenig transparent erschien und wir auch nicht glauben konnten, dass etwas mehr als eine Hand voll Leute zeigen wird, wohin der Weg der Wissenschaft führen wird und wo Österreichs Stärken und Chancen liegen können. Ich glaube, Sie wären daher gut beraten, mit Universitäten, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit Industrie und Wirtschaft in einen Dialog zu treten, um da wirklich ein umfassendes und objektives Bild von Mängeln und Schwächen, aber auch von Chancen und Stärken zu bekommen.

Wichtig wäre – das wurde schon gesagt –, dass die Risikobereitschaft der Wirtschaft erhöht wird, aber in dem Sinn, dass nicht die Wirtschaft den schlanken Staat predigt und darunter eigentlich nur Folgendes versteht: die Verstaatlichung des Risikos in der Forschungsfinanzie


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