Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 100

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ist bisher nicht bekannt geworden, dass er sich in gebührender Form schützend vor die angegriffenen Staatsanwälte und Richter gestellt hätte.

Die Achtung des Rechtsstaats durch Mitglieder der Bundesregierung und die Unabhängigkeit des Justizministers sind insbesondere durch vier Umstände in Frage gestellt:

1. Vizekanzlerin Riess-Passer hat die Justizbehörden aufgefordert, die gerichtlichen Verfahren gegen ihre Parteifreunde in der Spitzelaffäre einzustellen. Damit hat ein Mitglied der Bundesregierung versucht, ein Gerichtsverfahren zu beeinflussen. Der Justizminister hat Staatsanwälte und Richter gegen diese und ähnliche Interventionen öffentlich nicht in Schutz genommen.

2. Gerichtliche Unterlagen belegen, dass RA Dr. Dieter Böhmdorfer in zwei Verfahren interne Informationen und vertrauliche Akten von Sicherheitsbehörden für seine Klienten Dr. Stadler bzw. Dr. Haider verwendet hat. Ein Teil der Informationen stammt offensichtlich aus dem Polizeiinformationssystem EKIS. Damit wird der Verdacht begründet, dass Dr. Böhmdorfer widerrechtlich beschaffte Informationen verwendet hat.

3. Nach einem bestätigten Aktenvermerk eines ehemaligen Konzipienten der Kanzlei Dr. Böhmdorfer zufolge hat eine Staatsanwältin beim Versuch, dem damaligen Innenminister ein Drogendelikt zu unterstellen, eine Anzeige bei der FPÖ und der Kanzlei Böhmdorfer bestellt.

4. Nach eben diesem Aktenvermerk waren Mitarbeiter der Kanzlei Böhmdorfer 4. informiert, dass die FPÖ über einen Informanten Zugang zum "Aktenkeller" des Wiener Sicherheitsbüros hatte. Die Kanzlei Böhmdorfer verwertete auf diesem Weg beschaffte Informationen.

5. Der Aussage eines ehemaligen Konzipienten der Kanzlei Dr. Böhmdorfer zufolge hat der Industrielle Turnauer im November 1996 dem nunmehrigen Landeshauptmann von Kärnten den Geldbetrag von 5 Millionen Schilling zukommen lassen. Die Übergabe geschah derart, dass zunächst Turnauer den Betrag Jörg Haider übergeben hat. Dieser hat in der Folge einen Mitarbeiter des freiheitlichen Parlamentsklubs beauftragt, den Betrag in die RA Kanzlei Dr. Böhmdorfer zu verbringen. Der ehemalige Mitarbeiter dieser Kanzlei kann den Vorgang der Übergabe in der Kanzlei Dr. Böhmdorfer bezeugen. Er hat seine Angaben einem Anfragesteller gegenüber vollinhaltlich bestätigt und ist jederzeit bereit, eine gerichtliche Aussage zu machen. Damit wird der Verdacht begründet, dass Dr. Böhmdorfer an der Durchführung illegaler Parteienfinanzierung beteiligt war.

Da der Bundesminister für Justiz bis heute unterlassen hat, zu den angeführten Sachverhalten klar und ausreichend Stellung zu nehmen, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage:

Riess-Passer

1. Wie beurteilen Sie die Angriffe von freiheitlichen Politikern gegen die in der "Spitzelaffäre" agierenden Staatsanwälte und Richter?

2. Wann, wo und wie haben Sie die Forderung von Frau Riess-Passer, die Strafverfahren gegen freiheitliche Politiker einzustellen, zurückgewiesen?

3. Hat Frau Riess-Passer Sie persönlich zur Einstellung der Verfahren aufgefordert?

4. Jörg Haider hat erklärt, die in der Spitzelaffäre ermittelnden Staatsanwälte hätten "nachweislich das Recht gebeugt und gebrochen". Warum haben Sie bis heute die Staatsanwälte nicht öffentlich gegen diese Angriffe in Schutz genommen?

5. Haben Sie selbst an der Vorgangsweise des Staatsanwalts etwas auszusetzen?


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