Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 107

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

den Rechtsstaat gibt, dann stellt sich die Frage: Macht sich nicht jeder, der dazu schweigt, mitschuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren? Machen sich nicht auch der Bundeskanzler und die ÖVP mitschuldig in dieser Angelegenheit? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Herr Präsident! Ich bin schon beim letzten Satz!

Jörg Haider hat gemeint: Sie haben uns den Krieg erklärt! – Wenn man die Anwendung des Strafrechtes als Kriegserklärung bezeichnet, dann erklärt man dem Rechtsstaat den Krieg, meine Damen und Herren! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erhält nun der Herr Justizminister das Wort.

Meine Damen und Herren! Vorher muss ich aber noch folgende Feststellung treffen: Ich weiß, dass das eine sehr sensible und heikle Debatte ist, und ich kann mich über die Dichte der Verdachtsmomente selbstverständlich nicht äußern. Aber es geht nicht an, dass man – wem auch immer – in dieser Causa bereits Verbrechen zumisst, denn darüber hat eben die Justiz zu entscheiden. Ich möchte dringend bitten, das zu berücksichtigen, denn solche Feststellungen sind nicht akzeptabel! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Merken Sie sich das! – Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, ja! Sie haben es notwendig!)

Herr Minister! Sie haben nun das Wort.

15.23

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich danke zunächst für diese Worte. Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zur Anfrage wie folgt Stellung nehmen:

Insofern in der Anfragebegründung ausgeführt wird, dass es für jedes demokratische Gemeinwesen von hoher Bedeutung ist, dass die Träger des demokratischen Systems über einen Grundkonsens an Werten verfügen und sich in ihrem politischen Agieren entsprechend verhalten, sowie dass zu diesem Grundkonsens das Bekenntnis zum Rechtsstaat, zur Unabhängigkeit der Gerichte, zur Demonstrationsfreiheit, zur Meinungsfreiheit und zur Meinungsvielfalt gehört sowie dass es bei aller Verschiedenheit der politischen Anschauungen notwendig ist, diesen Konsens zu erhalten und auszubauen, kann ich mich vollinhaltlich den einleitenden Bemerkungen der Anfrage anschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von meinem Amtsantritt bis zu meiner vor wenigen Tagen erfolgten Erklärung von der Regierungsbank aus habe ich stets ein Bekenntnis zu einem unabhängigen Rechtsstaat und zu einer unabhängigen Rechtsprechung als tragende Säulen unseres demokratischen Rechtsstaates abgegeben, und ich habe in meiner Amtsführung stets gemäß diesen tragenden Grundsätzen gehandelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sicherstellung des unbeeinflussten Arbeitens der Justiz kann aber nicht allein Aufgabe des Justizministers sein, sondern muss ein gemeinsames Anliegen auch – und vor allem – der politischen Kräfte in unserem Lande sein. Auch die Justiz selbst und ihre Organe müssen sich diesem Grundsatz verpflichtet fühlen. In diesem Sinne muss ich alle aufrufen, ihr Handeln auf diesen Grundkonsens abzustimmen! Es genügt nicht, in der Begründung Dringlicher Anfragen Lippenbekenntnisse abzugeben, die beim eigenen politischen Tun außer Acht gelassen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich schließe in meinen Appell auch die Medien unseres Landes ein, denen ebenfalls eine eminente Verantwortung für die Wahrung des Persönlichkeitsschutzes, der Unschuldsvermutung und für die Sicherung eines Klimas, in dem die Justizorgane sachbezogen und unbeeinflusst arbeiten können, zukommt!

Ich habe die Entwicklung der letzten Wochen zum Anlass genommen, im Justizministerium konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Geheimnisschutz in Gerichtsakten zu veranlassen,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite