Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 111

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gerichtlichen Verwertung der Informationen des freiheitlichen Spitzelringes war. Das war bei der Bestellung von Dr. Böhmdorfer zum Justizminister nicht bekannt.

Inzwischen wissen wir das nicht nur über Gerichtsakten, nicht nur über die Erklärungen von Anwälten, nicht nur über die öffentlich zugänglichen Informationen über Böhmdorfer-Verfahren, über die wir verfügen, sondern auch über Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern seiner Kanzlei. Sie haben ein System beschrieben und sind bereit, vor Gericht und vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ebendieses System zu beschreiben, ein System, in dem durch die Beschimpfung und Verächtlichmachung politischer Gegner freiheitliche Spitzenfunktionäre um Dr. Haider immer wieder in gerichtliche Schwierigkeiten gekommen sind und der Rechtsanwalt ihnen immer eine Frage gestellt hat: Welches Material könnt ihr heranschaffen, damit wir vor Gericht gewinnen? – Und dann ist herangeschafft worden. Und dann sind die Vertrauensleute im Ring in Bewegung gesetzt worden.

Die Verwertungszentrale für diese Informationen war die Kanzlei Dr. Böhmdorfer, und die meisten dieser Verfahren sind von Dr. Böhmdorfer persönlich geführt worden. Das ist der erste Vorwurf: Dr. Böhmdorfer war der Kopf einer Kanzlei, die die Verwertungszentrale für das Material des freiheitlichen Spitzelringes war.

Zum Zweiten: Der Verdacht, dass die Kanzlei Dr. Böhmdorfer eine, wenn nicht die Schwarzgeld-Zentrale der Freiheitlichen Partei war, ist seit heute doppelt begründet. Der zweite Zeuge hat bereits ausgesagt, und wir wissen heute, dass es neben dem "System Kohl" in der Bundesrepublik Deutschland ein wahrscheinlich sehr ähnliches System Haider/Böhmdorfer in Österreich gegeben haben dürfte. Das ist Gegenstand von Erhebungen und Ermittlungen der Finanzlandesdirektion und der Finanzstrafbehörden, und das sollte schon längst Gegenstand von Befragungen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sein.

Wenn man es vielleicht etwas salopp und ungenau zusammenfasst, kann man das auf einen Punkt bringen: Jörg Haider war der politische Ziehvater von Dr. Böhmdorfer, und Dr. Böhmdorfer ist in jeder politischen Funktion sein folgsamer Ziehsohn. Er ist kein Justizminister, dem die Bezeichnung Justizminister zukommt, sondern ein Parteianwalt, auf den sich seine gegenwärtigen und Ex-Mandanten in jeder Situation blind verlassen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Das ist aber ein "jugendlicher" Ziehsohn!)

Ja, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, der Einwurf erfolgt zu Recht: Ziehsöhne in der Freiheitlichen Partei altern schnell, aber das ist ein spezielles Problem Ihrer Fraktion.

Ich komme zurück auf das Bundesministerium für Justiz. Ich glaube auf Grund der Vorwürfe, die jetzt erst bekannt geworden sind, gegenüber der Kanzlei und der Person von Rechtsanwalt Dr. Böhmdorfer, dass Dr. Böhmdorfer keine Chance hat, jemals zu einem – unter Anführungszeichen – "normalen" Justizminister dieser Republik zu werden. Dr. Böhmdorfer hat nach seiner Vorgeschichte keine Chance, ein minimales Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat zu garantieren. Und genau das findet auch seinen Ausdruck in seiner Amtsführung.

Was hat Dr. Böhmdorfer bis jetzt getan? Was hat er heute getan? Haben Sie von ihm heute ein Wort zur Verteidigung der angegriffenen Staatsanwälte und Richter gehört? (Abg. Mag. Posch: Nein!) Haben Sie ein einziges Wort gehört, wo er gesagt hat: Ich lasse den Untersuchungsrichter nicht als "Erd-ei" bezeichnen! (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Ich lasse die Staatsanwälte nicht als Rechtsbrecher bezeichnen! (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Ich lasse den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit nicht als "roten Bruder" bezeichnen? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Nichts! Kein Wort! Das Einzige, worauf der Justizminister weinerlich verwiesen hat, war, dass er sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlt und morgen ein Gespräch führen wird.

Herr Justizminister! Wenn Sie so weitermachen, wird im österreichischen Rechtsstaat jedes Gespräch, das Sie führen, ein politisches und freiheitliches Selbstgespräch sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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