Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 143

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Sozialdemokraten für dieses Land eines der besten Gesundheitssysteme der Welt geschaffen, so ist es Ihrer Regierung binnen weniger Monate gelungen, dieses ausgezeichnete österreichische Gesundheitssystem durch eine Politik der sozialen Kälte nachhaltig zu beschädigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der durch die Sozialdemokratie stets geförderte gesellschaftliche Grundkonsens über die soziale Sicherheit als eine der wichtigsten Grundlagen von Freiheit und Demokratie in unserem Lande wird durch einen Politik der Individualisierung und Entsolidarisierung durch diese Regierung ersetzt. Also nicht mehr jenes Modell einer solidarischen Ausgewogenheit zwischen Reich und Arm, zwischen Alt und Jung und zwischen Gesunden und Kranken ist Ihre politische Vorstellung einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik, sondern die von mir erwähnte Entsolidarisierung und der Glaube an die Wirkmächtigkeit von quasimarktwirtschaftlichen Mechanismen prägen die Vorstellungen in diesem Bereich. Am Altar des Geldes sollen all jene Grundsätze geopfert werden, die dieses Land zu einem der wohlhabendsten Länder mit hohen Standards in der Gesundheitspolitik gemacht haben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nunmehr zur neu entflammten Diskussion um die Einführung von Selbstbehalten auch bei Arztbesuchen zu sprechen kommen. Herr Kollege Feurstein – er ist momentan nicht im Saal – hat am Montag dieses Match eröffnet. Er fordert 20 Prozent Selbstbehalt beim Arztbesuch. Herr Köck vom Liberalen Forum hat dies sogleich nach oben lizitiert und verlangt sogar 50 Prozent Selbstbehalt.

Herr Kollege Feurstein hat mir dann zwar im Ausschuss versichert, dass an einen Selbstbehalt nicht gedacht ist, aber ich kann nur sagen, dass für mich klar ist, dass diese Regierung bereits den nächsten Schlag in Richtung Zwei-Klassen-Medizin plant. Das war sicherlich kein Zufall oder eine Fehlinterpretation durch die Presse, sondern ein gezielter Vorstoß, auch bei einem Arztbesuch Selbstbehalte einzuführen.

Zunächst sollten wir uns, Herr Kollege Feurstein, einmal über die Problematik oder das Wesen von Selbstbehalten unterhalten, denn zahlreiche Studien zeigen auf, dass durch Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen unter Umständen erhebliche negative gesundheitliche Folgeschäden verursacht werden können. So hat zum Beispiel eine im Auftrag des US-Parlaments durchgeführte Studie ergeben, dass Selbstbeteiligungsmodelle nur kurzfristig Kosten sparen können. Da durch die Selbstbeteiligung nicht nur vermieden wird, dass überflüssige Therapien stattfinden, sondern vielfach auch notwendige diagnostische und therapeutische Behandlungen unterbleiben, kommt es mittelfristig bis langfristig zu höheren Folgekosten.

Es gibt natürlich noch eine andere Reihe von Argumenten, die eigentlich gegen die Einführung weiterer Selbstbehalte sprechen: dass hohe Selbstbehalte oder Selbstbeteiligung zum Beispiel in Verbindung mit einem Versicherungssystem preistreibend wirken, dass Selbstbeteiligung Mitnahmeeffekte entfaltet, und die Leistungsanbieter schlagen Selbstbehalte meistens zu einem großen Anteil auf den Preis. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Es ist natürlich auch so, Herr Kollege, dass Selbstbeteiligung in großem Ausmaß Multimorbide betrifft. Ich glaube, ich muss Ihnen das nicht extra sagen. (Abg. Dr. Pumberger: ... Krankenanstaltenfinanzierung!) Herr Kollege Pumberger, ich habe diese Beilagen auch gelesen, aber die Maßnahmen, die derzeit ergriffen werden, beziehungsweise die Faktenlage spricht eben eine andere Sprache. Das geht eindeutig in eine andere Richtung. (Abg. Gaugg: Warum stimmst du dann zu?)

Wir werden bei gewissen Bereichen zustimmen, Herr Kollege Gaugg, aber lassen Sie mich zuerst ausreden. (Abg. Gaugg: Das ist ja eine abenteuerliche Rede!)

Sie könnten jetzt natürlich sagen, dass sich Kollege Lackner von der Opposition gegen solche Selbstbehalte ausspricht. Aber soviel ich weiß, ist AK-Präsident Dinkhauser aus Tirol ein Fraktionskollege von Ihnen von der ÖVP. (Abg. Gaugg: Er weiß alles!) – Ja, er ist ein sehr gescheiter Mann, er hat mehr sozialpolitischen Grips als die meisten Damen und Herren in diesem Hohen Hause. Er hat richtigerweise festgestellt ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Ich habe schon dort hinüber gezeigt, Frau Kollegin Mertel, zumindest in diesen Bereich. (Abg.


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