Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 36

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10.07

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Ministerin Gehrer! Wir haben schon seit Jahren ein Problem, und dieses Problem werden wir wahrscheinlich so lange nicht lösen können, solange Sie sich gegen die Integration von behinderten Kindern wehren, was Sie bis jetzt erfolgreich getan haben. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Ich weiß nicht, woher Ihre Abneigung gegenüber behinderten Menschen rührt. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ungeheuerlich! Das ist abenteuerlich, so etwas zu sagen!) Tatsache ist, dass Sie aber in den letzten Jahren immer, wenn es möglich war, versucht haben, und zwar erfolgreich, die Schulintegration wieder zunichte zu machen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Die hat ja Narrenfreiheit!) Als letzten großen Akt, Frau Ministerin, möchte ich Sie nur an die 19. Schulorganisationsgesetz-Novelle erinnern.

Frau Ministerin! Ich möchte jetzt nicht Ihr Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis überprüfen, das ist nicht meine Aufgabe. Aber ich möchte Sie fragen, ob Sie noch wissen, was in der 19. SchOG-Novelle steht. Ich sage es Ihnen: Der sonderpädagogische Förderbedarf für sinnes- und körperbehinderte Kinder endet mit der Absolvierung der Grundstufen.

Was heißt denn das konkret, Frau Ministerin? – Das heißt, dass Ihr Stützlehrersystem, das Sie zuerst noch Leuten schmackhaft zu machen versucht haben, gar nicht mehr existiert; es existiert spätestens dann nicht mehr, wenn es sich um die erste Klasse Hauptschule oder um den Übertritt in eine Mittelschule handelt. Dann gibt es nämlich keine Stützlehrer mehr.

Frau Ministerin! Nehmen Sie zur Kenntnis: Das haben Sie mit der 19. Schulorganisationsgesetz-Novelle zunichte gemacht! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Sie können auch ein bisschen rechnen, davon bin ich überzeugt. Sie wissen, dass die Schulintegration auf der Strecke bleiben wird, wenn es um den Verteilungskampf geht. Wenn heute im Rahmen der Autonomie ein Bundesland eine gewisse Summe für die Anstellung von LehrerInnen übrig hat, dann wird es nicht so sein, dass man zuerst die Integrationsklassen plus Zusatzpersonal an Stützlehrern sicherstellt und dann schaut, was übrig bleibt, um die Schülerhöchstzahl nicht zu überschreiten et cetera. (Ruf bei der ÖVP: Woher wissen Sie das?)

Frau Ministerin! Wenn das so wäre, dann müssten Sie jedes Jahr entweder Hunderte, Tausende Kinder in Österreich von der Schule befreien oder sie zurückstellen, weil sich das nicht ausgehen würde. Das ist rechnerisch nicht möglich, denn dann könnten Sie nicht alle Kinder "beschulen".

Frau Ministerin! Damit kommen wir wieder dorthin, wo wir schon einmal waren – ich erinnere Sie, ich selbst war eines der Opfer, als ich 1961 in die Schule rollen wollte –: Mir wurde das wegen Lehrermangels, wegen Fehlens von Stützlehrern et cetera, et cetera verweigert. Diese Schulpolitik, Frau Ministerin, die es 1961 in Österreich gegeben hat, wollen Sie jetzt wieder erreichen.

Das heißt, Ihr "neu Regieren" bedeutet Rückschritt in die Vergangenheit (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), Rückschritt um 40 Jahre, Rückschritt in der Bildung und hat mit einer Qualitätssicherung in den Schulen, mit der Erreichung von höheren Niveaus und höchster Qualität et cetera überhaupt nichts zu tun. Das ist Schulpolitik der Vergangenheit.

Frau Ministerin! Im Zuge dieser Schulpolitik können Sie sich mit Herrn Sozialminister Haupt zusammentun. Sie können sich Ihre "Behindertenmilliarde" ersparen. Wenn Sie behinderten Kindern das Recht auf den Besuch der Regelschule nicht geben und ihnen den Bildungsweg bereits in der Volksschule verweigern, dann werden wir die "Behindertenmilliarde" zur Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht brauchen – leider nicht brauchen. Wer Kindern die Bildung vermasselt, darf sich nicht wundern, wenn das dann zu einer hohen Arbeitslosenrate führt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist sagenhaft falsch!)

10.12


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