Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 57

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mit unterschiedlichen europäischen Konzepten aufeinander geprallt sind. Ich persönlich erachte Nizza für einen Kompromiss – das ist klar; was auch sonst, wenn 15 Länder rund um den Tisch sitzen? –, aber einen Kompromiss, den man nicht kleinreden soll, sondern den man als Voraussetzung für diese Weichenstellungen ernst nehmen – und jetzt auch ratifizieren soll.

Das erste wichtige Ereignis ist natürlich, dass Nizza technisch und institutionell die Voraussetzungen für die Erweiterung geschaffen hat. Wir haben zum ersten Mal seit 40 Jahren, eigentlich seit der Gründung der Union, die Institutionen Europas nachhaltig angepasst. Das war schmerzlich, gar keine Frage, aber wir haben es geschafft. Damit können unsere Nachbarn in diese neue Union einsteigen, und sie haben die gleichen Rechte und Pflichten.

Übrigens war Österreich ein Anwalt dieser Gleichberechtigung unserer Nachbarn und der Kandidaten. Es scheint mir wichtig zu sein, dass wir nicht Mitglieder zweier Klassen im neuen Europa haben: die Altmitglieder und diejenigen, die neu eingeladen werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben zweitens auf Vorschlag der Kommission auch einen konkreten Verhandlungsfahrplan beschlossen. Vor allem für die nächsten 18 Monate gibt es jetzt ganz genaue Vorstellungen darüber, wann welches Thema angenommen werden soll. Es gab sogar die Hoffnung – eine Hoffnung, die ausdrücklich formuliert wurde –, dass der erste Beitrittstermin so sein könnte, dass die am weitesten qualifizierten Kandidaten schon an der nächsten Europawahl teilnehmen können. Das ist ambitioniert, aber institutionell ist der Weg offen. Jetzt liegt es an den Kandidaten, dies auch in den Verhandlungen wirklich umzusetzen.

Wir haben auch zum ersten Mal ehrlich angesprochen, dass es Übergangsfristen geben muss, eine gewisse Flexibilität, um den Kandidaten entgegenzukommen. Es gibt derzeit Wünsche nach über – in Summe – 500 verschiedenen Übergangsfristen oder Übergangsmöglichkeiten von den verschiedenen Ländern, und es gibt einige wenige Bereiche, die auch für uns wichtig sind.

Ich möchte hier – so wie Deutschland und der deutsche Bundeskanzler, wir haben das auch in Nizza vorbesprochen – dringend die Notwendigkeit einer Übergangsfrist einmahnen, einer siebenjährigen Übergangsfrist ab dem Beitritt für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und für grenzüberschreitende Dienstleistungen. Es sind eben nur Deutschland und Österreich mit einer jeweils über 1 000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze direkt und unmittelbar von dieser Frage betroffen. Ich glaube, dass jetzt, nach diesen Ansagen, auch die Kommission an einem solch vernünftigen Plan arbeiten wird.

Die Frau Außenminister hat einige großartige Ideen, die wir jetzt auch umsetzen wollen: einerseits strategische Partnerschaften mit den Nachbarländern zu bilden, zugleich aber auch österreichische Gesprächs- und Verhandlungsforen sowie Informations-Plattformen im Inneren, damit dieses Projekt der Erweiterung geglaubt und auch von der Bevölkerung verstanden und angenommen werden kann.

Mit den Chancen muss man auch die Risken der Erweiterung sehen. Wir fürchten, dass gerade in den Grenzregionen Probleme auftauchen können. In dieser Hinsicht war Nizza für uns sehr wichtig, denn zum ersten Mal wurde – auf österreichische Initiative hin – die Kommission von den Staats- und Regierungschefs beauftragt, ein Programm zur Festigung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen vorzuschlagen.

Ich habe vor wenigen Tagen Kommissionspräsident Prodi einen Brief geschrieben und ihm gesagt, dass wir hoffen, dass dieser Kommissionsvorschlag – schon vorbesprochen mit Kommissär Verheugen – bereits unter schwedischem Vorsitz vorgelegt wird, dass das PHARE- und das INTERREG-Programm besser aufeinander abgestützt werden und dass wir damit auch intern einen Impuls setzen, dass die Erweiterung wirklich eine Chance wird. – Ich hoffe, Sie gehen dabei mit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am heikelsten waren natürlich die institutionellen Fragen, insbesondere – Sie wissen das – betreffend die Europäische Kommission. Vor allem die französische Präsidentschaft wollte die


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