Reform für eine massive Verkleinerung der Kommission auf zehn Mitglieder nützen. Dahinter stand natürlich auch die Idee einer Hierarchisierung: Die großen Länder sollen eine stärker sichtbare Macht innerhalb der Kommission haben, manchmal alternativ, manchmal kumulativ.
Dagegen haben wir uns massiv gewehrt und haben da mit anderen kleinen Ländern einen meiner Ansicht nach wichtigen Erfolg erreicht. Viele nationale Regierungen haben heute mehr als 20 Mitglieder; Österreich hat eine der kleinsten europäischen Regierungen, und ich finde, das ist auch gut so. Aber ich glaube, dass man über die Effizienz der Kommission reden soll. Vor allem soll man den Präsidenten stärken, und das ist in Nizza geschehen mit der Regelung des Rücktritts eines Kommissionsmitglieds, wenn das Vertrauen des Präsidenten und des Kollegiums verloren geht. Es darf nicht sein, dass man dort sozusagen eine politische Pragmatisierung hat – ganz gleich, was jemand tut. Das war eine österreichische Initiative, und das ist in diesem Vertrag umgesetzt worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Der österreichische Vertreter – das ist für uns ein Grundprinzip – bleibt in allen europäischen Institutionen – der Kommission, dem Europäischen Gerichtshof, dem Europäischen Rechnungshof – sehr lange erhalten. De facto wird ab der nächsten Erweiterung der Verzicht der großen Länder auf den zweiten Kommissar unmittelbar wirksam, und dann gilt das Prinzip "Jedem Land ein Kommissar", bis das 27. Mitglied beigetreten sein wird. Das wird eine lange Zeit sein, das sage ich hier auch ganz offen. Erst nach dem Beitritt des 27. Mitgliedstaates wird ein gemeinsamer Beschluss darüber gefasst werden, wie die neue Situation aussehen soll, wobei dann schon eine ganz gleichberechtigte Rotation der Fall sein wird.
Der schwierigste Bereich betraf die Stimmgewichtungen. Das ist eine reine Machtfrage. Da haben wir natürlich einerseits unsere nationalen Interessen, vor allem aber auch die Situation, dass Österreich ein Land ist, das Nettozahler ist und das sich daher selbstverständlich auch die heutige, bessere Stellung kleinerer und mittlerer Länder bewahren möchte.
Wir haben im Vertrag festgeschrieben: Jeder Beschluss der Union darf nicht nur eine Mehrheit der Stimmen haben, er muss auch die Mehrheit der Staaten hinter sich haben. – Das ist ein Punkt, der von den großen Ländern zum Teil heftig bekämpft wurde. Ich meine, wir haben ein für uns sehr gutes Ergebnis erreicht. Im Verhandlungsprozess hatten wir zuerst acht, dann neun und am Ende zehn Stimmen. Das heißt, unser Verhältnis bleibt gut gewahrt. Wir haben in Zukunft einen Bevölkerungsanteil von 1,5 Prozent, einen Budgetanteil von 2,6 Prozent und ein Stimmgewicht von über 4 Prozent sowie nach der Erweiterung von rund 3 Prozent. Ich meine, dass wir mit diesem Ergebnis insgesamt gut abgeschnitten haben.
Für "Feinspitze": Geplant war von den größeren Ländern, dass die sechs Großen nach der Erweiterung 55 Prozent der Macht im Rat haben sollen. Nach den Verhandlungen haben wir genau ausgerechnet, wo wir stehen, und siehe da: Die Kleinen und Mittleren haben nach diesem Verhandlungsergebnis mit 51 Prozent zu 49 Prozent die Mehrheit. Wir haben dabei also nicht schlecht abgeschnitten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Der Schönheitsfehler – das muss man offen zugeben – besteht jedoch darin, dass die Stimmschwelle für eine qualifizierte Mehrheit zu hoch ist. Es gibt eigentlich drei Hürden, um überhaupt zu einem positiven Beschluss zu kommen: die Mehrheit der Stimmen aller Staaten, die Mehrheit der Stimmen der Staaten und zusätzlich eine Bevölkerungsmehrheit. Das ist natürlich ein Punkt, die ein absoluter Schönheitsfehler ist. Da haben wiederum die Großen ihre Interessen massiv durchgebracht, sie haben darum gekämpft, dass sie sozusagen eine Veto-Position haben.
Ich glaube überhaupt, wir sollten die Betrachtungsweise ändern. In der europäischen Gedankenwelt muss es wichtiger sein, etwas durchzubringen, als etwas blockieren zu wollen. In sensiblen Fragen muss man sowieso bei der Einstimmigkeit bleiben. Ich kann wirklich nicht erkennen, warum ein Beschluss, der mehrstimmig erfolgt, von vornherein weniger wert sein soll als ein Beschluss, der im Konsens erfolgt. Im Prinzip ist es immer besser, einen Konsens zu haben. Das geht aber nicht immer, wie wir ja auch innenpolitisch wissen.