Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich verstehe natürlich den Schmerz, der Sie bewegt, nach 30 Jahren der Regierung nicht mehr an der Macht zu sein. Dieser Schmerz ist dann besonders bitter, wenn man gemeint hat, das Land gehöre der Partei. Und so haben Sie es ja in den letzten 30 Jahren verstanden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben geglaubt, dieses Land gehöre Ihnen und damit auch alle Positionen, die in diesem Land zu besetzen sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Es gehört keiner Partei, es kommt nicht darauf an, ob jemand rot ist, sondern darauf, ob jemand reformwillig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand schwarz ist, sondern ob jemand bestqualifiziert ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand blau ist, sondern ob jemand verantwortungsbewusst ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand grün ist, sondern es kommt darauf an, ob jemand Sachpolitik vor Parteipolitik stellt. – Und nur und ausschließlich nach diesen Kriterien wird diese Bundesregierung ihre Personalentscheidungen treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Eine weitere Auswirkung dieser Sanktionen ist – diese möchte ich als durchaus positiv bezeichnen –, dass sich Österreich insgesamt und auch diese Bundesregierung dazu verstanden haben, dass es darauf ankommt, österreichische Interessen gegenüber den Partnern in der Europäischen Union selbstbewusst zu vertreten. Das Ergebnis von Nizza hat, glaube ich, gezeigt, dass diese Bundesregierung dies auch getan hat.
Herr Kollege Gusenbauer, der so wie immer kurz nach seiner Wortmeldung das Plenum verlassen hat, hat in seiner heutigen Rede erklärt, dass das Ergebnis von Nizza ein negatives ist, weil der große Wurf nicht gelungen sei. – Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, nur bitten, Herrn Kollegen Gusenbauer mitzuteilen (Abg. Dr. Mertel: Wir sind keine Erfüllungsgehilfen!), dass er, wenn er schon diese Kritik äußert, sie dann bitte auch beim nächsten Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs in Europa vorbringen soll. Die Mehrheit der Regierungschefs, die in Nizza verhandelt haben, sind doch sozialdemokratische Regierungschefs und Mitglieder der Sozialistischen Internationale. Seine Kritik wäre daher in erster Linie dorthin zu richten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Was Österreich bei diesem Gipfel von Nizza erkämpft hat, ist etwas, was nicht nur für Österreich, sondern auch für die Europäische Union insgesamt wichtig und zukunftsweisend ist, nämlich dass es auch in Hinkunft gleichberechtigte Kommissare geben wird, dass es eine individuelle Verantwortlichkeit der Kommissionsmitglieder gibt und dass die Einstimmigkeit in zentralen Fragen – wie bei den Eigenmittel-Beschlüssen und in der Frage von Wasser-, Boden- und Raumordnung – erhalten bleibt, und zwar auch bei der Wahl der Energieträger und in Fragen der Asyl-, Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Das ist ein ganz zentrales Anliegen Österreichs gewesen und ist auch für die Europäische Union und die kleineren Mitgliedsstaaten von großer Bedeutung, auch für die Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Besonders wichtig ist für mich aber auch die so genannte Post-Nizza-Agenda: das, was nach Nizza, was in Zukunft auf der Tagesordnung stehen wird. Dabei geht es vor allem um die Fragen der Verstärkung der Rechte der nationalen Parlamente, und zwar nicht nur, indem nationale Parlamente zu einem Vollzugsorgan von Entscheidungen auf EU-Ebene gemacht werden, sondern indem nationale Parlamente schon in den Rechtsetzungsprozess mit einbezogen werden, und es geht auch um die klare Kompetenztrennung zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union.
Dies halte ich überhaupt für die zentrale Frage, nämlich die Klärung des Verhältnisses zwischen der Europäischen Union und den Nationalstaaten, aber nicht im Sinne von machtpolitischen Interessen, sondern von Kriterien der Subsidiarität. Es sollen nämlich alle Entscheidungen so nahe wie möglich am Bürger getroffen werden. Das ist einer der zentralen Punkte nicht nur für Österreich, sondern auch für viele andere Mitgliedstaaten.
Dem steht jene Haltung diametral entgegen, die in den letzten Monaten leider Gottes auch bei Freunden des Herrn Kollegen Gusenbauer, bei seinen Parteifreunden durchgedrungen ist, die