sich nämlich als eine Art "Avantgarde" Europas fühlen. Diese so genannte Avantgarde Europas gibt es nicht, sondern es gibt gleichberechtigte Mitgliedstaaten egal, ob sie groß oder klein sind , und so wird es auch in Zukunft sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Unsere Vision von Europa ist nicht eine Vision der kulturellen und politischen Vereinheitlichung und Gleichmacherei, sondern eine Vision der Einheit in der Vielfalt, und das muss auch die Grundlage unserer künftigen Entscheidungen sein. Integrationspolitik kann kein Wettrennen nach dem Motto "Wie schnell machen wir etwas?" oder "Machen wir etwas möglichst schnell!" sein, sondern Integration ist auch eine Frage der Qualität. Und auf der Jagd nach dem Integrationsfortschritt darf eines auf jeden Fall nicht auf der Strecke bleiben, nämlich die Menschen, die Bürger in diesem Europa.
Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist meines Erachtens in vielen Bereichen an dieser Kernfrage vorbeigegangen. Wir haben gerade in den letzten Wochen erleben müssen, dass eine vorschnelle Integration und eine zu wenig gut überlegte Integration, wie sie zum Beispiel in Fragen der gemeinsamen Agrarpolitik stattgefunden hat, sich zum ganz gravierenden Nachteil für die Menschen in Europa auswirkt. Was wir heute rund um BSE oder die Futtermittel-Skandale erleben, ist das Ergebnis einer Politik, bei der man einfach nicht darauf geachtet hat, dass das Lebensinteresse der Menschen im Mittelpunkt stehen muss, und nicht die Massenproduktion und die möglichst billige Produktion, wie das eben der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich habe heute in einem Kommentar einer österreichischen Tageszeitung zu dieser Problematik den Begriff "Hochleistungskühe" gelesen, und ich muss sagen, dass mich das sehr betroffen gemacht hat, weil das eine Tendenz in Europa ist, die darauf ausgerichtet ist, alles nur mehr nach den Kriterien der Produktionsmenge, der möglichst schnellen Produktion und des möglichst billigen Preises zu betrachten.
Es gibt Hochleistungsmotoren, Hochleistungsturbinen und alles Mögliche dieser Art, aber wir wollen keine "Hochleistungstiere" züchten! Das kann nicht die Zukunft Europas sein, das führt zu katastrophalen Auswirkungen, wie wir gesehen haben, und es wird die besondere Aufgabe Österreichs sein, innerhalb der Europäischen Union klarzumachen, dass politische Klugheit und Weisheit auch darin bestehen können und müssen, auch einmal einen Schritt zurückzugehen, wenn man einen Weg als Irrweg erkannt hat. Und die gemeinsame Agrarpolitik ist ein Irrweg der Europäischen Union! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Das heißt, Integrationspolitik kann nicht so schnell wie möglich, sondern muss so gut wie möglich erfolgen. Das gilt auch für die Osterweiterung; die gute Vorbereitung ist ein wesentlicher Punkt dabei. Die Einhaltung der Spielregeln von allen, auch von jenen, die dieser Union beitreten wollen, ist eine wesentliche Grundvoraussetzung. Das Bekenntnis zu Werten wie Menschenrechten ist gerade im Hinblick auf die Bene-Dekrete und die AVNOJ-Beschlüsse eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang, und natürlich auch das Bekenntnis zu einer guten Nachbarschaft.
Ich sage das heute gerade auch im Hinblick auf Temelin, weil diesbezüglich zur Diskussion steht, dass Tschechien die Einhaltung des Melker Abkommens sicherstellen muss. Das ist eine ganz wesentliche Frage der Vertragstreue. Vertragstreue muss in einer Europäischen Gemeinschaft die Grundlage des gemeinsamen Handelns sein, und das muss man von allen Partnern auch entsprechend verlangen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich glaube, dass es für Österreich entscheidend ist, dass wir uns dazu bekennen, dass wir eine aktive Rolle in dieser Europäischen Union spielen, dass wir nicht ein kleines Rädchen sein, sondern die Fahrtroute der Europäischen Union entscheidend mitbestimmen wollen, und dass wir, wenn es notwendig ist, auch einmal ins Lenkrad greifen. Danke. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
12.57
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. Bitte. (Abg. Dr. Pum