Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 168

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Ich bedauere, dass hier offensichtlich die persönliche Befindlichkeit des Herrn Muzicant darüber, dass er gestern nicht beigezogen wurde – wir haben gesagt, es sollten dann auch andere Opfervertreter beigezogen werden, nämlich beispielsweise die der Roma und Sinti –, über die Interessen dieser Opferschutzgesetzgebung gestellt wird. Aber wir werden uns nicht aufhalten lassen. Und ich bin sehr froh darüber, dass die Leiterin des Nationalfonds der Republik Österreich, Frau Hannah Lessing, heute erklärt hat:

"Der Anfang ist bereits gemacht. Wenn der Nationalrat heute, Mittwoch, die Entschädigungen für NS-,Arisierungs‘-Opfer beschlossen haben wird, kann der Nationalfonds an jene Personen, die bereits im Computer erfasst sind, schon Fragebögen ausschicken. Darin werden mögliche Ansprüche auf die nun zur Verfügung stehenden Mittel abgefragt."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann der Nationalrat sicher nicht aufgehalten werden, diese wichtigen Gesetze zu beschließen, um den jetzt noch lebenden Opfern rasch die nötige finanzielle Genugtuung zu leisten beziehungsweise deren finanzielle Ansprüche zu befriedigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

19.30

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde vorwirft, NS-Phraseologie zu verwenden, nur weil er nicht mit allem einverstanden ist, was die blau-schwarze Regierung, auch der Opposition, vorgeschlagen hat, hier heute einvernehmlich zu beschließen, dann halte ich das für so eine Ungeheuerlichkeit (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), dass mir jetzt eigentlich alles entfallen ist, was ich Ihnen im Anschluss an die Wortbeiträge meiner Kollegen, die vor mir gesprochen haben, auch in Bezug auf Dr. Krüger, sagen wollte.

"NS-Phraseologie" – wenn man davon spricht, dass es kein Freikaufen von der Geschichte gibt, denn so interpretiere ich den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde! Es ist kein Freikaufen von der Geschichte, wenn heute hier wichtige, wesentliche, in gewisser Hinsicht richtungweisende Gesetze beschlossen werden, denn ein Freikaufen von der Geschichte gibt es nicht. Und insofern gebe ich allen Recht; eigentlich war es bis jetzt nur Kollege Gusenbauer, der davon gesprochen hat: Es gibt keinen Schlussstrich unter den Holocaust, den gibt es nicht, und den wird es nie geben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist keine Frage von finanzieller Abgeltung, es ist keine Frage der Höhe von Entschädigungen, es ist unsere Verantwortung, dass wir trachten, dass es dieses Freikaufen nicht gibt und dass es diesen Schlussstrich nicht gibt, meine Damen und Herren.

Ich habe schon einmal – es war 1995 in einer der letzten Sitzungen vor der Sommerpause – hier eine ähnliche Diskussion mit einer ähnlichen Tragweite, was den Inhalt des Gesetzes betrifft, erlebt, und das war anlässlich der seinerzeitigen Beschlussfassung des Nationalfondsgesetzes. Anlässlich der Beschlussfassung des Nationalfondsgesetzes hat Johannes Voggenhuber, der damals für die Grünen all diese Verhandlungen begleitet hat und sie auch, so meine ich, gepusht hat, Folgendes gesagt: Während wir die Erinnerung festhalten müssen, werden die Überlebenden noch immer von ihr festgehalten. Während wir die Erinnerung wach halten, werden sie von ihr wach gehalten, und während wir uns vom Geschehen entfernen, werden sie noch einmal vom Schrecken eingeholt.

Diese Worte – und man kann das in den Protokollen des Nationalrates nachlesen – sind so etwas wie ein Wegbegleiter für das, was heute zur Beschlussfassung steht. Ich meine, dass wir heute mit dieser Beschlussfassung eine Antwort darauf geben, was damals viele Kommentatoren, auch viele Politikerinnen und Politiker kritisch hinterfragt haben, auch bei dieser wesentlichen Leistung des Nationalfonds, nämlich ob Österreich die Chance einer solchen Entlastung in gewisser Hinsicht von der Schuld und von der Verantwortung, die man hat, auch


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