Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 171

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Nichtsdestotrotz bitte ich Sie jetzt, meine Damen und Herren, im Zuge dessen, was Sie jetzt in der Diskussion gehört haben und was Sie auch noch vom Herrn Bundeskanzler hoffentlich in klaren Worten hören werden, nämlich das Bekenntnis zu Mitverantwortung und die Entschuldigung bei den Opfern, dem Abänderungsantrag, den ich jetzt verlesen werde, Ihre Zustimmung zu erteilen, um in letzter Minute noch diese Korrektur anbringen zu können; er ist schon eingebracht.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Terezija Stoisits und FreundInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 27 Abs. 2 des Entschädigungsfondsgesetzes lautet:

"Antragsberechtigt sind weiters Erben von antragsberechtigten Personen gemäß Abs. 1 in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches; wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist, der Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich. Im Fall einer aufgelösten Vereinigung ist auch eine Vereinigung antragsberechtigt, die von der Schiedsinstanz als deren Rechtsnachfolgerin angesehen wird."

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollen uns nicht bereichern an geraubtem Vermögen von Menschen, die das Unglaublichste erlebt haben, das in Worten nicht ausdrückbar ist und wo mir die Phantasie fehlt, es mir vorzustellen. Darum bitte ich Sie: Stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wiedergutmachung ist eine rechtliche, politische, materielle, aber auch eine ethische und moralische Forderung. 6 Millionen Morde kann man nicht wiedergutmachen, Milliarden geraubten Vermögens nicht wirklich rückerstatten.

Die Einzigartigkeit der Verbrechen Nazideutschlands an den Juden Europas entzieht sich in Wahrheit jeglichen Kategorien des Denkens. Angesichts der historischen Dimensionen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik kann es nur Annäherungen geben. Die Frage der Reparationen ist eine – fast möchte man sagen – unendliche Geschichte. Sie hat insgesamt 56 Jahre gedauert. Fragen der Reparation, der Rückerstellung und Rückerstattung, der Wiedergutmachung waren von jüdischer Seite bereits vor 1939 Gegenstand von Überlegungen, aber auch die Alliierten haben sich im Londoner Abkommen damit beschäftigt.

Österreich und die Alliierten waren somit von Anfang an mit diesen Forderungen konfrontiert. Während sich jedoch die Wiedergutmachung in der deutschen Diskussion schnell auf eine außenpolitische Dimension bezogen hat, indem sie materielle Leistungen an den Staat Israel einbezogen hat und diese materiellen Leistungen mit einem Deutschland zu gewährenden moralischen Kredit verbunden hat, war die Geschichte in Österreich ein klein wenig anders. Eine Mitschuld des österreichischen Volkes, aus der sich eine Pflicht zur Wiedergutmachung ergeben hätte, wurde definitiv abgelehnt. Eine Bereitschaft, Wiedergutmachung zu zahlen, hätte die Opferthese des österreichischen Staates unterminiert. Wozu etwas wiedergutmachen, wenn man selbst Opfer war?


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