Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 172

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Und insofern möchte ich den Einwand des Abgeordneten Khol, des mutigsten Verfassungspatrioten, relativieren, der da gesagt hat: Österreich war nicht nur Opfer des Nationalsozialismus, sondern es gab auch Täter. – No na! Aber was sagt das über das Wesen des Nationalsozialismus aus? (Abg. Dr. Khol: Wissen Sie, wen ich zitiert habe, Herr Kollege Posch? Den Abgeordneten Kostelka!) Ja, es ist in Ordnung, das Zitat ist ja in Ordnung. Aber was kommt dann? (Abg. Dr. Khol: Weil ich damit gerechnet habe, wenn ich das sage, dass ich von Ihnen einen Einwand kriege!)

Die Realität zeichnet nämlich ein düsteres Bild, wenn man dem Bericht der Historikerkommission folgt, wonach unter den Nazis kein Vermieter gezwungen war, jüdische Mieter hinauszuwerfen. Es hat nach dem Anschluss Mitte März 1938 mehr als ein Jahr gedauert, ehe die Nationalsozialisten ein Gesetz erlassen haben, wonach es zulässig war, Mieter allein deswegen auf die Straße zu setzen, weil sie Juden waren. Und trotzdem wurden vorher 44 000 Wohnungen arisiert. Die Krüger’sche abenteuerliche These vom Einmarsch, die er heute aufgestellt hat und der in der letzten Sequenz der Heldenplatz fehlt, ist daher nur die halbe Wahrheit, wenn man diese Dinge beschreibt.

Die Konzeption von Österreich als erstes Opfer Hitlers, der Konsens über Österreichs Neutralität und auch der Staatsvertrag haben in Wahrheit den Anspruch der überlebenden Juden auf Rehabilitierung erschwert. Wo es Opfer gab, wo es kein Gewissen gab, da war es auch politisch nicht notwendig, Restitution zu leisten.

Eine umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden, all jener, die emigrieren mussten, unter ihnen zahlreiche Wissenschaftler, Philosophen, Dichter, zahlreiche Geistesgrößen der Ersten Republik, diese umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden hat es in Wahrheit in keinem der drei Nachfolgestaaten des "Dritten Reichs", weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in der DDR, noch in Österreich, gegeben. Das war, wenn Sie so wollen, die späte Rache Hitlers.

In den neunziger Jahren ist unter dem Titel "Vergangenheitsbewältigung" einiges in Bewegung geraten. Abgeordneter Gusenbauer, unser Parteivorsitzender, hat schon auf die Rede Vranitzkys hier im Nationalrat im Jahre 1991 hingewiesen. Auch Herr Schüssel hat, wenn auch in differenzierterer Form, darauf Bezug genommen, ohne dieser Stellungnahme eine Eindeutigkeit folgen zu lassen.

Es hat die Rede Klestils im Jahr 1994 in Jerusalem gegeben, die Beachtung gefunden hat, es hat den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus gegeben, die Veranstaltungen hier im Parlament, die Einsetzung des Nationalfonds, die Einsetzung der Historiker-Kommission, das Versöhnungsfondsgesetz zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter und jetzt das Restitutionsabkommen. Es ist wahr, es haben Maria Schaumayer und auch Ernst Sucharipa großartige Arbeit in diesem Zusammenhang geleistet.

Dr. Schüssel hat gesagt, wichtig sei es, dass es der Regierung innerhalb eines Jahres gelungen sei, etwas Substantielles für die Opfer zu tun. Dem stimme ich zu. Sie haben sich auch optimistisch bezüglich der finanziellen Abdeckung gezeigt. Sie haben gesagt, die Vorabsprachen seien so gestaltet, dass Sie mit Zuversicht sagen können, die 360 Millionen Dollar auch wirklich aufbringen zu können. Ich glaube Ihnen, und ich hoffe, dass es nicht so wird wie bei der Zwangsarbeiterentschädigung. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man sich auf einen Schlüssel von 50 : 50 von Staat und Wirtschaft geeinigt hat, hat die Wirtschaft in Österreich bis jetzt leider nur 150 Millionen Schilling gezahlt, und die Regierung hat den Insolvenzfonds um 3,8 Milliarden Schilling geplündert und quasi das Unmaß besessen, die Zwangsarbeiter aus dem Insolvenzfonds zu zahlen und quasi die Arbeitslosen sühnen zu lassen, die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter zahlen zu lassen. Das widerspricht jedem fundamentalen Schuld- und Sühneverhältnis. – So viel zur technischen Seite der Vergangenheit.

Wie umfangreich dieser größte Raubzug der Geschichte war, beweist allein die Tatsache, dass rund 200 Milliarden Schilling geraubt wurden. Das ist eine relativ große Summe, wenn man sie mit der Wiedergutmachungssumme von 1 Milliarde Dollar vergleicht.


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