Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 58. Sitzung / Seite 93

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Ich frage Sie: Wie geht es einer Familie mit zwei Kindern bei Ihrer Politik, Herr Staatssekretär? (Abg. Großruck: Besser als vor zwei Jahren!) Das wird am Beispiel folgender Familie, die ich kenne, deutlich: Er ist seit 15 Jahren Schichtarbeiter, sie ist Krankenschwester in einem Ambulatorium, und die zwei Kinder gehen gerade noch zur Schule. Er braucht das Auto, um zur Arbeit zu kommen – Schichtarbeit, Nachtarbeit –, er braucht mehr Geld für die Versicherungssteuer, er braucht mehr Geld für Benzin, mehr Geld fürs Autobahnpickerl – alles "kein Problem", er wird ja "nicht belastet".

Er arbeitet, Herr Staatssekretär, wenn Sie schlafen. Die Belohnung ist: Höhere Steuern seit Jänner dieses Jahres. – Das ist Ihre Politik! (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner.  – Abg. Nürnberger  – in Richtung des Abg. Dr. Leiner –: Er sagt, das stimmt alles nicht! – Abg. Fink: Sie sagen die Unwahrheit!)

Für den Fall, dass er genug hat von den Belastungen im Beruf und sich verändern möchte, haben Sie ihm noch – voriges Jahr schon – den Postensuchtag weggenommen, die Arbeitslosenunterstützung gekürzt und vieles mehr. – Das ist Sozialpolitik à la Freiheitliche und Konservative in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie sieht es mit ihr, mit der Frau des Schichtarbeiters aus? Sie ist Krankenschwester. Sehr verehrte Damen und Herren, sie weiß heute, am 2. März, nicht, ob ihre Patienten nachträglich eine Eintrittsgebühr für den gestrigen Ambulanzbesuch vorgeschrieben bekommen! (Abg. Rosemarie Bauer: ... die Welt zusammenbricht? Was belastet sie das?) Das ist Professionalität? Genieren Sie sich doch für diese Politik, um Gottes willen! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Diese Krankenschwester weiß nicht, ob sie eine neue Telefonnummer verordnet bekommt, weil eine Bundesministerin der Freiheitlichen nicht weiß, was sie unterschreibt. Genieren Sie sich doch für diese Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Geh, bitte!)

Was sie aber weiß, ist, dass sie für ihre zwei Söhne, wenn sie weiter auf die Universität gehen, künftig 20 000 S pro Jahr wird zahlen müssen, Herr Staatssekretär. Das weiß sie. (Staatssekretär Dr. Finz: Und für den Kindergarten in Wien? Was zahlen wir dafür?) Und das ist nach Ihrer Definition "keine Belastung" für diese Familie. All das, was Sie machen, ist unsozial, ungerecht und zunehmend chaotisch! (Abg. Fink: Ihre Rede ist chaotisch! Solche Unwahrheiten!)

Heute hat Herr Bundeskanzler Schüssel einen Regierungsschwerpunkt postuliert, indem er gesagt hat: Vorrang für die Bildung. – Das sind die Worte. Wie aber sieht es bei den Taten aus? – Einsparungen bei der Bildung gibt es! Das ist Ihr Handeln!

Ich habe vor wenigen Tagen einen Elternbrief eines Realgymnasiums in die Hand bekommen – ich bin auch ein Vater –, den alle unterschreiben und in dem die Lehrer aufschreien und hinweisen auf das, was geschieht: Deutliche Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, Realeinkommensverlust, andere Arbeitszeit. Darin heißt es – ich zitiere –: "Zynisch ist die Aussage, diese Maßnahmen würden jungen Kolleginnen und Kollegen zugute kommen. Viele unserer jungen Kolleginnen werden im nächsten Schuljahr nicht mehr beschäftigt (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist doch alles politisch manipuliert! Das soll ein Beweis sein?), da die oben erwähnten Maßnahmen natürlich eine Reduktion der Dienstposten bedeuten."

Ich lese weiter: "Es ist keine Frage, dass auch die pädagogische Qualität der Schule sinken muss, wenn man sie als Quelle für Einsparungen sieht. Gerade die Aufgaben eines Klassenvorstandes trugen wesentlich zur Erziehung und zur schulischen Entwicklung eines Kindes bei." – Und so geht es weiter, eine ganze Seite lang.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das ist ein Aufschrei! Niemand beschäftigt sich mit der wirklichen Situation. Es wird drübergefahren, es wird gekürzt, und hier wird uns vorgegaukelt, die Bildung hätte Vorrang. In Wirklichkeit hat die Bildung Nachrang bei Ihrer Politik, sehr verehrte Damen und Herren!


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