Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 17

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Auch die Krankenanstalten werden ihre Fixkosten für die Ambulanzen durch eine Stagnation der Patientenfrequenz kaum senken können. Mehr als die Hälfte der in einer Spitalsambulanz erbrachten Leistungen erfolgt an stationären PatientInnen. Der Großteil des in den Ambulanzen eingesetzten Personals sowie der apparativen und räumlichen Ausstattung wäre auch bei einem deutlichen Rückgang der Ambulanzfrequenz für die Aufrechterhaltung des Spitalsbetriebes erforderlich. Das Einsparungspotenzial wäre also gering, die Auslastung der ohnedies vorzuhaltenden Ressourcen würde sinken und die Stückkosten der Leistungen würden steigen. Durch den gleichzeitigen Ausbau paralleler ambulanter Angebote in Form von Ordinationen würden teure und nicht bedarfsnotwendige Doppelgleisigkeiten entstehen. Parallelangebote und die dadurch erzeugte angebotsinduzierte Nachfrage führen zu einem ineffizienten Gesundheitssystem und zu einer unnotwendigen Steigerung der volkswirtschaftlichen Kosten.

In Studien wird nachgewiesen, dass Kassenambulatorien und Spitalsambulanzen in der Regel billiger als Ordinationen arbeiten. Eine Schwächung dieser Einrichtungen zu Lasten teurerer Angebote kommt einer Verschleuderung von Steuer- und Beitragsgeldern gleich.

Ambulanzen haben für PatientInnen alle Vorteile einer "Gruppenpraxis".

Spitalsambulanzen bieten für die PatientInnen alle Vorteile einer "Gruppenpraxis": Deutlich längere Öffnungszeiten als Einzelordinationen mit einer 24 Stunden-Zugänglichkeit im Notfall; ein fächerübergreifendes, integriertes Angebot ("alles unter einem Dach", weniger PatientInnenwege); bestehende apparative Ausstattung; besonderes medizinisches Know-how der ÄrztInnen in den Spezialambulanzen (mehr Erfahrung mit schwereren und aufwändiger zu behandelnden Krankheitsbildern); etc. Daher besuchten 1999 über 5 Millionen PatientInnen die Spitalsambulanzen. Eine Diskriminierung der Spitalsambulanzen ist gleich bedeutend mit einer Verschlechterung des Angebotes für die PatientInnen.

Der Ambulanzselbstbehalt untergräbt die Qualität der Behandlung.

Viele AmbulanzpatientInnen kommen im Zuge der Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt. Diese PatientInnen werden in Zukunft auch einen Selbstbehalt (150,- bzw. 250,- ATS) bei jedem Besuch zahlen müssen, da sie in die selbe Ambulanz wiederbestellt sind und keine Überweisung von einem niedergelassenen Arzt haben. Die blau-schwarze Bundesregierung verhindert damit, dass die Nachbehandlung – etwa nach einer Operation – in einem geschlossenen Behandlungszyklus von dem mit den Befunden und dem Therapieverlauf unmittelbar vertrauten Ärzteteam erfolgt. Die Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt an der behandelnden Krankenanstalt ist aus Gründen der Qualitätssicherung wichtig und sinnvoll. Eine Unterbrechung der Behandlungskontinuität mindert die Qualität und kann die Heilungschancen gefährden.

Der unsoziale Ambulanzselbstbehalt ist als Steuerungsinstrument völlig ungeeignet.

Bis zu 80 Prozent der Ambulanzpatienten kommen auf Grund einer ärztlichen Zuweisung oder zur Nachbehandlung nach einem stationären Aufenthalt. Zur Vermeidung sehr weniger ungerechtfertigter Inanspruchnahmen werden sehr viele PatientInnen, die der Ambulanzbehandlung dringend bedürfen, mit einer völlig ungerechtfertigten Strafgebühr belegt.

Durch den unsozialen Ambulanzselbstbehalt werden den ÄrztInnen Ärmelschoner verordnet und unzumutbare Entscheidungen abverlangt.

Nach der neuen Regelung werden die ÄrztInnen in den Ambulanzen bei den PatientInnen überprüfen müssen, ob außerhalb der Ambulanz das jeweils notwendige Untersuchungs- und Behandlungsangebot "in angemessener Entfernung unzureichend" ist oder nicht. Darauf aufbauend müssen die ÄrztInnen dann die Entscheidung über die Zahlungspflicht der PatientInnen treffen. Wenn am Freitag um 14:00 Uhr PatientInnen die urologische Ambulanz bzw. die urologische Abteilung aufsuchten, müssten die ÄrztInnen dann wissen, ob um diese Zeit noch eine Ordination in angemessener Entfernung offen hat. Solche und ähnlich absurde Entscheidungen werden auf die SpitalsärztInnen abgewälzt. Es wäre keinem Arzt zu verdenken, würde er jeden Zweifelsfall zu Gunsten der PatientInnen auslegen. Dies um so mehr, als die Spitäler mit Öffentlichkeitsrecht verpflichtet sind, allen BürgerInnen ärztliche Hilfe zu leisten.


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