Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 22

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Unser Pflegepersonal und unsere Ärzte in Österreich sollen sich um die Patienten kümmern – und nicht um die Bürokratie! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als Argument wird ja bei allen Fragen seitens der Regierung immer gesagt, man müsse das aus Finanzierungsgründen machen. – Nun, wie sehen die finanziellen Zusammenhänge im Zusammenhang mit der Einführung der Ambulanzgebühren aus? – Es ist ziemlich einfach: Die Patienten, die Kranken, werden belastet – und gleichzeitig wird eine enorme, zusätzliche Bürokratie errichtet werden müssen, um diese Ambulanzgebühren einzukassieren. Nach allen Berechnungen – selbst einzelner Krankenhäuser bis hin zu den Sozialversicherungsträgern – kommt folgendes Ergebnis heraus: Die Bürokratie wird mehr Geld verschlingen, als die Einhebung der Ambulanzgebühren überhaupt bringt. Das ist eine sinnlose Aktivität, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist mir überhaupt völlig unverständlich, wie in Zeiten, in denen so viel über Verwaltungsreform gesprochen wird, über Vereinfachung der Verwaltung, über effizientere Verwaltung, sich die Frau Vizekanzlerin in der Öffentlichkeit täglich ein Schauspiel mit den Landeshauptmännern liefert, wie also in einer solchen Zeit eine Regierung eine Maßnahme einführt, die die größte Bürokratievermehrung in den letzten Jahren darstellt! – Das lehnen wir ab, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Viele Menschen haben den Eindruck, dass das aber nur der Beginn einer Entwicklung ist, denn es gibt ja bereits einzelne Äußerungen, die nicht nur in die Richtung gehen, dass es die Ambulanzgebühren geben sollte, sondern die auch in die Richtung gehen, dass die Selbstbehalte bei ärztlicher Versorgung erhöht werden sollen (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist doch nicht wahr! Das ist die Unwahrheit! Ihr wollt die Beiträge erhöhen!), dass es in Zukunft für alle Versicherten auch Kostenbeiträge bei Arztbesuchen geben soll.

Offensichtlich besteht die Intention des Herrn Westenthaler und seiner Kollegen darin, unser solidarisches Gesundheitssystem grundsätzlich zu beseitigen. Und davor haben die Menschen Angst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das, was bei all diesen Maßnahmen, bei all diesen Selbstbehalten, bei den Ambulanzgebühren zum Ausdruck kommt, ist nichts anderes als die Verabschiedung von der gemeinsamen solidarischen Finanzierung unseres Gesundheitssystems – hin zu einem anderen System, bei dem letztendlich die Patienten, bei dem die Kranken in immer stärkerem Maße alleine dafür zahlen müssen, dass sie eine gute Gesundheitsversorgung haben wollen. Und ein solches System ist kein humanes System! Ein humanes System, ein solidarisches Gesundheitssystem verteilt die Kosten auf alle sozialen Gruppen in unserem Lande – und nicht nur auf die Kranken, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher sollten Sie heute die Chance wahrnehmen – nachdem Ihnen offensichtlich schon der Verfassungsgerichtshof ausgerichtet hat, dass diese Husch-Pfusch-Gesetzesaktionen nicht verfassungskonform sind, nachdem wir Ihnen seit Monaten klarmachen, dass es sich dabei um sozial ungerechte Maßnahmen handelt, nachdem die Bevölkerung mit Empörung reagiert –, sollten Sie also diese Chance wahrnehmen, und wir laden Sie dazu sein, diese unsoziale Maßnahme der Einführung der Ambulanzgebühren zurückzunehmen. Dazu laden wir Sie ein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das Gesundheitssystem ist ein gutes Beispiel für die Frage der sozialen Balance, für die Frage der sozialen Gerechtigkeit und einer der zentralen Werte des Zusammenlebens in Österreich, eines Zusammenlebens, das darauf basiert, dass man in solidarischer Art und Weise versucht, in Österreich die Grundversorgung und einen sozialen Ausgleich zu organisieren. Das ist der Grund dafür, dass sich Österreich damit fundamental von anderen Wirtschaften auf der Welt unterschieden hat, in denen der Ellbogen im Vordergrund steht – und nicht die Solidarität. Wir wollen, dass dieses solidarische System aufrechterhalten bleibt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite