Solidarität heißt aber auch, die Augen nicht vor jenen Gruppen in unserer Gesellschaft und ihrem Lebensschicksal zu verschließen, die es schwer gehabt haben, die es teilweise sehr schwer gehabt haben. Wenn wir seit Wochen eine Diskussion über die Besteuerung der Unfallrenten führen, dann muss man wissen, um welche Menschen es sich dabei handelt. Es geht um 100 000 Österreicher, die das Pech, die das Unglück hatten, zum Beispiel einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, nachhaltig in ihrer körperlichen, manchmal auch geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein, also schwere Behinderungen zu haben – und die trotz all dieser Erschwernisse weitergearbeitet haben, hart gearbeitet haben. Für viele von ihnen war das manchmal beziehungsweise vielfach härter als für gesunde Menschen; ihre Einkommensmöglichkeiten waren aber eingeschränkt.
Zu diesem Zweck gibt es in Österreich das Instrument der Unfallrente, mit dem versucht wird, einen Schadenersatz in gewissem Ausmaß zu erbringen, damit jene Erschwernisse abgegolten werden, die diese Menschen über Jahre, ja über Jahrzehnte hatten. Und nun will diese Regierung 2 Milliarden Schilling einheben und führt eine Besteuerung dieser Unfallrenten ein, was zu einer ganz massiven Reduktion des Einkommens dieser Menschen führt, die sich nicht mehr helfen können. – Das ist soziale Kälte! Das heißt, die Augen vor der Lebensrealität von 100 000 Menschen in unserem Lande zu verschließen! Das empfinden wir als zutiefst unfair und die Debatte um diese Frage als zutiefst zynisch, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Da nach den ersten Meldungen über Betroffene – diese Menschen sind massiv betroffen – eine Diskussion darüber begonnen hat, dass man einzelne Härtefälle ausgleichen sollte, stelle ich Ihnen die Frage: Wo beginnt der Härtefall? – Wenn ein Arm fehlt, wenn ein Fuß fehlt, wenn andere schwerwiegende Behinderungen vorliegen? (Abg. Dr. Leiner: Das wissen schon die Ärzte!)
Sie von den Regierungsparteien definieren die Härtefälle in einem solchen Zusammenhang, dass dann irgendwelche Brosamen verteilt werden sollen. – Nein, meine Damen und Herren: Gerechtigkeit gibt es in diesem Zusammenhang nur, wenn die Besteuerung der Unfallrenten wieder gänzlich entfällt! Und das ist unsere Forderung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Es muss sich im Übrigen jeder Betroffene seinen Teil denken, wenn auf der einen Seite Ankündigungen über die Rücknahme der Besteuerung gemacht werden, andererseits aber über die Einrichtung von Härtefonds gesprochen wird. Im Wiener Wahlkampf tut Frau Partik-Pablé so, als wäre sie die Vorkämpferin für die Beseitigung der Besteuerung der Unfallrenten, während gleichzeitig Kommissionen eingesetzt und Entscheidungen verschoben werden. Dieselbe Regierung, die sich damit brüstet, dass sie mit großer Geschwindigkeit alles erledigt, beweist Folgendes: Schnell ist sie nur beim Schaffen von Ungerechtigkeiten; langsam ist sie, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Der nächste Anschlag auf die soziale Balance, auf das Mitgefühl und auf das Herz der Österreicherinnen und Österreicher wird am 1. April 2001 stattfinden: Am 1. April werden 100 000 Menschen in unserem Land – größtenteils Pensionisten, die kinderlos geblieben sind – einen Bescheid zugestellt bekommen, aus dem hervorgeht, was es bedeutet, wenn die beitragsfreie Mitversicherung abgeschafft ist. Das werden größtenteils Pensionisten sein, die eine Nachzahlung für die ersten Monate dieses Jahres vorgeschrieben bekommen werden.
Wer sind denn diese 100 000 Menschen in Österreich? – Ein Pensionistenehepaar zum Beispiel, das gemeinsam 14 000 S brutto im Monat zur Verfügung hat, wird auf Grund der Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung eine Vorschreibung pro Jahr von mehr als 6 000 S bekommen. Dies trifft Menschen, die zu zweit mit 14 000 S brutto im Monat auskommen sollen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat absolut nichts – absolut nichts! – mit sozialer Gerechtigkeit zu tun! Das ist soziale Kälte in Reinkultur, die wir ablehnen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)