Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 24

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Es geht dabei nicht darum, dass nicht Sie und wir, die wir hier sitzen und über gute Einkommen verfügen, unseren Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten sollten, sondern es geht darum, dass über die schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft, über diejenigen, die nicht die gleichen Möglichkeiten wie wir haben, nicht drübergefahren werden soll. Das ist soziales Mitgefühl, das ist soziale Balance, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Minister! Viele stellen sich die Frage: Wenn mit derartiger sozialer Einäugigkeit, mit dem Nichtsehen sozialer Problemlagen über 100 000 Menschen in Österreich drübergefahren wird, wie sieht es dann eigentlich in der Regierung aus?

Wenn man nun mitbekommen hat, dass im Ministerbüro des Herrn Haupt die Büroleiterin 200 000 S pro Monat verdient – was heißt, dass, wenn sich der Herr Minister an die in der FPÖ festgelegte Bezügebegrenzung hält, seine Büroleiterin netto bedeutend mehr als der Minister selbst verdient –, wenn dort ganz offensichtlich Günstlingswirtschaft betrieben wird und Privilegien geschaffen werden, dann muss sich doch jede Österreicherin und jeder Österreicher Folgendes denken: Diese Regierung ist großherzig zu sich selbst – aber hartherzig zur Bevölkerung! Und das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei sozialen Fragen und bei der sozialen Balance auch immer um den Vergleich. Wenn man nun auf der einen Seite Gehälter in einer Höhe bezahlt, wie Sie das tun, wenn es aber auf der anderen Seite zusätzlich zu den Gehältern – vom Rechnungshof kritisiert! – in der gesamten Regierung mehr als 50 Lehrarbeitsverträge gibt, die zu einem Teil in erster Linie über die österreichische Industrie organisiert werden, welche das ihrerseits damit argumentiert, dass sie sagt, sie wolle ja ganz gute Kontakte zur Regierung haben, dann haben viele Menschen in unserem Land den Eindruck: Dort wird Lobbyismus ausschließlich für industrielle Interessen gemacht – und nicht für die österreichische Bevölkerung! Und das Ergebnis sehen wir jetzt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr war außerordentlich hoch. Die Einnahmen des Finanzministers waren auch außerordentlich hoch. Die Steuerbelastung der gesamten Bevölkerung ist gestiegen. In einer solchen Situation stellen sich nun viele die Frage: Worin besteht die Notwendigkeit für die sozialen Härten, die die Regierung verordnet? Was treibt eine Regierung dazu, solche sozialen Nadelstiche gegen einzelne schwächere Gruppen der Bevölkerung zu initiieren? – Und es gibt nur zwei mögliche Gründe dafür (Abg. Dr. Pumberger: Schulden!): Es handelt sich entweder um eine politische Einäugigkeit, durch die man das Schicksal der Menschen nicht zur Kenntnis nehmen will, oder man will das österreichische Sozialsystem fundamental verändern.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ist Letzteres der Fall, müssen wir eine offene Debatte führen, denn die österreichische Bevölkerung ist stolz auf ihr System des sozialen Ausgleichs und will keinen Übergang zu einer Ellbogengesellschaft, die bereits in anderen Teilen der Erde gescheitert ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde eindringlich und mehrmals nachgewiesen: Ihre Maßnahmen sind sozial ungerecht! Es wird damit das soziale Balancegefühl der Österreicherinnen und Österreicher verletzt. Die Maßnahmen sind, wie der Verfassungsgerichtshof erkannt hat, dilettantisch beschlossen worden. Das ist offensichtlich die Konsequenz des Drüberfahrens und des wenigen Nachdenkens.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist Frühlingsbeginn, und Sie haben die große Chance, die Monate der sozialen Kälte zu beenden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ein Klubmitarbeiter überreicht dem Redner einen weißen Erste-Hilfe-Kasten, auf dem vorne ein Pickerl mit einem weißen Kreuz auf grünem Grund und darunter ein rotes SPÖ-Pickerl klebt. – Lebhafte ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg.


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