Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 61. Sitzung / Seite 16

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

10.25

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Unangekränkelt von falscher Bescheidenheit hat der Herr Staatssekretär vor wenigen Minuten hier Folgendes festgestellt: Ich und die Bundesregierung haben Klarheit für den ORF geschaffen. – Dass Schwarz-Blau den ORF in Ruhe lässt und ihm ermöglicht, seine erfolgreiche Arbeit fortzusetzen, durfte man ja nur hoffen – erwarten konnte man es auf Grund der Erfahrungen in anderen Bereichen nicht.

So spitzte sich die Sorge auf zwei Denkmöglichkeiten zu: Wird die Regierung den ORF unverändert als wirtschaftlich und medial starkes Instrument belassen, darin die Kontrolle und die Führung übernehmen und für ihre Zwecke nutzen oder wird sie ihn wirtschaftlich und rechtlich schwächen, Teile privatisieren und Platz für Private auf Kosten des ORF schaffen und sich dafür Applaus, Zustimmung und Dankbarkeit bei manchen Presseorganen und vor allem bei Österreich-hungrigen deutschen Medienriesen einhandeln und vielleicht auch ein paar zu beteiligende Freunde damit beschenken?

Die von der Regierung vorgelegte Punktation, Herr Staatssekretär – das ORF-Gesetz selbst liegt, wie Sie ja zugeben mussten, noch immer nicht im Entwurf vor –, lässt befürchten, dass Sie sich dazu entschlossen haben, beides zu tun, nämlich den ORF zu schwächen und gänzlich unter Ihre politische Kontrolle zu bringen. Das lehnen wir im Interesse unseres Landes mit aller Entschiedenheit ab! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Meine Damen und Herren von Schwarz-Blau! Sie handeln damit gegen die Wünsche der Österreicherinnen und Österreicher, und dafür werden Sie auch bei den Österreicherinnen und Österreichern zu bezahlen haben. 85 Prozent der Österreicher bezeichnen – wie die letzte große Umfrage von Fessel-GfK vom Februar dieses Jahres zeigt – den ORF als "wichtig" für Österreich, 59 Prozent meinen, er wäre "einer der besten Botschafter unseres Landes im Ausland", und 57 Prozent geben an, dass er "für sie persönlich wichtig" ist.

Klar ist auch die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher zu den Zukunftsszenarien: Mehrheitlich sind sie gegen eine Privatisierung, Teilprivatisierung oder Umwandlung in eine AG, und keinesfalls soll der ORF in ausländischen Besitz übergehen.

Was Schwarz-Blau in der Punktation ankündigt, inklusive der Werbeverbote, ist nicht nur ungereimt und ungerecht, sondern es beschränkt auch die Einnahmen für den ORF und hat direkte Folgen in verschiedenen Bereichen: für die Eigenproduktionen und für den Umfang der Programmleistungen. Es beschneidet den ORF außerdem bei den zukünftigen technischen Möglichkeiten, und es schränkt den Medienstandort Österreich ein. Das nützt daher vor allem der Auslandskonkurrenz.

In höchstem Maße nachteilig ist aber das, was Sie bei der terrestrischen Digitalisierung vorhaben. Ganz Europa stellt im Fernsehbereich auf terrestrisch-digital um. In Österreich haben wir drei Frequenzketten, in Bruchstücken eine vierte. Zwei dieser Frequenzketten sind ORF 1 und ORF 2, die dritte bräuchte man dringend für die Digitalisierung, denn dann entstünden vier digitale Programmmöglichkeiten: Platz für den ORF, Platz für technische Entwicklungen und Platz für Private. Sie wollen diese dritte Frequenzkette Privaten geben, Sie wollen sie in mehrheitlich ausländischen Besitz geben und machen damit in Wirklichkeit die Digitalisierung unmöglich. Das ist negativ und wird technische Konsequenzen für ganz Österreich haben. Sie verhindern damit eine bessere Empfangsqualität, die Vollversorgung bisher unterversorgter Regionen, die regionale Vielfalt, mehr TV-Programme und auch neue elektronische Informationsmöglichkeiten.

Statt dass Sie diese Chance nützen und ein großes Joint-venture der österreichischen Industrie, der Wirtschaft und des ORF machen, das sich in 21 bis 24 Monaten realisieren ließe, und hier Aufträge schaffen, schaden Sie aus persönlichen, parteipolitischen Gründen dem ORF, unserem Land und seinen Bewohnern. (Beifall bei der SPÖ.)

10.30


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite