Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 61. Sitzung / Seite 20

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Man entzieht dem ORF 1 Milliarde Schilling, um tatsächlich das auszuschalten, Herr Klubobmann Dr. Khol, was uns Bürgern und Bürgerinnen, ORF-Sehern und -Seherinnen an unserem ORF gefällt! Glauben Sie wirklich, Herr Dr. Khol, dass Sendungen wie etwa "Mei liabste Weis", Sendungen, die für Österreich interessant sind, noch produziert werden können, wenn es diese 1 Milliarde Schilling nicht mehr gibt? (Abg. Dr. Khol: Natürlich!)

Herr Dr. Khol, jeder weiß, dass "Mei liabste Weis" für Österreich relevant ist, aber nach Deutschland kann dieses Programm nicht verkauft werden. Und das ist das, was uns Sorge macht, wenn heute davon gesprochen wird, dass man den ORF entpolitisiert, dass man einen zukunftsfähigen ORF macht. Das, was heute auf dem Plan der Bundesregierung steht, ist, dem ORF die wirtschaftliche Basis einzuschränken, ihm radikal die Möglichkeiten zu nehmen, genau das zu tun, worin, wie Sie, Herr Dr. Khol, hier lautstark beteuert haben, eine wesentliche Aufgabe des ORF besteht, nämlich Identitätsstiftendes, Österreichprägendes, letztendlich auch so etwas wie Nationalbewusstsein in Österreich zu verbreiten. Das wird es dann nicht mehr geben, wenn diese Maßnahmen gesetzt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend noch ein Wort zu dem von Herrn Staatssekretär Morak erwähnten "Weisenrat". 273 Jahre hat er am Buckel, der "Weisenrat", die Herren, die diesen "Weisenrat" stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren – wohlgemerkt Herren, denn selbstverständlich ist bei einer blau-schwarzen Regierung keine weise Frau dafür vorgesehen, und würde sie auch 80 Jahre alt sein, es sind nur weise Herren, insgesamt 273 Jahre alt. Glauben Sie denn wirklich, dass diese Herren mit diesen Jahren am Buckel tatsächlich imstande sind, die Zukunft des ORF im Sinne der Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das 21. Jahrhundert zu prägen? Das ist die Gedankenwelt, die den ORF wahrlich geprägt hat – denken Sie nur an den verdienten Generalintendanten Bacher –, aber das waren die Siebzigerjahre, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Jetzt geht es darum, sich Gedanken zu machen über neue Medien, über interaktives Fernsehen, auch über wirtschaftlich wesentliche Fragen für den ORF. Was machen wir mit dem Teleshopping? Was machen wir mit jenen Dingen, die dem ORF die Möglichkeit geben könnten, in Zukunft ein wirklich multifunktionales Gesamtkommunikationsunternehmen zu werden? Der ORF versucht das schon jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber es gibt keine gesetzliche Basis dafür, und deshalb ist der Handlungsbedarf jetzt so groß, dem ORF durch eine Novelle des ORF-Gesetzes jene wirtschaftlichen Möglichkeiten zu geben, die ihn zu einem Fernsehen der Zukunft für alle Österreicherinnen und Österreicher machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Gleiche Redezeit. – Bitte.

10.47

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Klubobmann Dr. Khol! Sie stellen sich hierher und sagen, Sie schaffen nun einen unabhängigen ORF. Wollen Sie damit behaupten, dass er es bisher nicht war? (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Ja! Richtig!) Das heißt, auch unter Ihrer Regierungsbeteiligung ist es zu Interventionen, zu Einflussnahmen und zur Beeinflussung der Redakteure gekommen? Wollen Sie das damit behaupten? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen sagen, das ist richtig, und ich lese Ihnen Reaktionen der ORF-Redakteure auf Ihre Interventionen und die Interventionen Ihres Regierungspartners vor. Es gibt eine Resolution, weil die Redakteure nicht mehr gewusst haben, wie sie diesen Interventionen entgehen können, weil sie nicht mehr gewusst haben, wie sie ihre Unabhängigkeit im Fernsehen darstellen können. Der Vorwurf, der dieser Resolution vorangestellt ist, lautet:

"Der Druck der Regierungsparteien auf die Redaktionen hat in den letzten Tagen ein unerträgliches Ausmaß angenommen, bis hin zu persönlichen Einschüchterungsversuchen der ORF-Redakteure."


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