Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 103

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garantiert. Vorverurteilungen oder Vorfreisprüche – erst recht, wenn sie durch hohe Amtsträger des Staates geschehen – sind jedenfalls aus der rechtsstaatlichen Sicht scharf zurückzuweisen. Die unbedingte Einhaltung aller rechtsstaatlichen Prinzipien gerade durch die Mitglieder der Bundesregierung ist für die Demokratie unabdingbar."

Wie wichtig und bedeutsam diese Überlegungen zum Rechtsstaat im Rahmen der damaligen Dringlichen Anfrage waren, wird durch die skandalösen Vorgänge rund um die gerichtliche Aufarbeitung des Spitzelskandals, die vorige Woche bekannt wurden, deutlich.

Die Zeitschrift "NEWS" (Nr. 12/2001) berichtete über einen "NEWS" vorliegenden Aktenvermerk des zuständigen Untersuchungsrichters Dr. Stefan Erdei, mit welchem dieser schwerste Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhob. Aus dem Text:

"* Akten vorenthalten.

Zitat: "Bei Durchsicht des gestern Nachmittag von der StA Wien in 5 Kartons übermittelten Aktes stelle ich fest: (...) Eine erste Durchsicht ergibt, dass der (von der WiPol Wien und StA Wien) in den letzten Monaten mehrfach medial angekündigte ‚Schlussbericht‘ oder sonst eine als Vollanzeige zu wertende Aufstellung der Verdachtsfälle und deren Zuordnung zu konkreten Verdächtigen sich nicht bei dem übermittelten Konvolut befindet."

* Aktenchaos.

Berichte der Wirtschaftspolizei wurden ohne Eingangsvermerk der Staatsanwaltschaft weitergeleitet, was eine chronologische Ordnung unmöglich macht. Es kommt aber noch dicker.

Zitat: "Die Aktenordner tragen auf dem Rücken Bezugsvermerke (offenbar von der WiPol gesetzt), die offenbar auf eine interne Ordnung der Inhalte oder auf eine Auflistung Bezug nehmen, die jedoch nicht vorliegt."

* Vernichtende Bilanz.

U-Richter Erdei weiter: "Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp 1/4 der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten, dem Gericht vor."

Und selbst diese 11 Fakten scheinen offensichtlich im Chaos der Staatsanwaltschaft zu versinken. Erdei: "Die Einordnung der nunmehr dem Gericht übermittelten Unterlagen in den Gesamtbezug ist mangels Vorliegen einer Gesamtdarstellung (‚Schlussbericht‘) sowie Angaben zur Nummerierung (‚Faktenliste‘) nicht möglich."

Erdeis Fazit: "Mangels Vorliegen eines Schlussberichts ist daher zumindest nicht in allen Fällen mit Sicherheit erkennbar, welche Handlungen einzelnen Verdächtigen nach Abschluss der Erhebungen tatsächlich zur Last gelegt werden." Krönender Nachsatz: "Die nunmehr gestellten Anträge der Staatsanwaltschaft Wien verweisen nur auf die mitgelieferten Urkundenkonvolute und enthalten keine Darstellung des als rechtswidrig verdächtigen Verhaltens."

* Akten aus dem Zusammenhang gerissen.

Schlussabsatz: "Da die übermittelten Ordner offenbar aus dem Zusammenhang gerissen wurden, ist eine dem Sinn der §§ 375, 378 Geschäftsordnung entsprechende Seiten- und Bandnummerierung faktisch nicht möglich."

Gezeichnet: Dr. Stefan Erdei."

Der Wertung dieser Vorgänge durch die Zeitschrift "NEWS" kann nur vorbehaltlos zugestimmt werden: "Diese Vorgänge die Arbeit der Staatsanwaltschaft betreffend würden jeder Bananenrepublik zur Ehre gereichen".


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