Jedenfalls ist festzuhalten, dass die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft scheinbar alles unternimmt, um die Aufklärung des Spitzelskandals zu verhindern.
Nach der Veröffentlichung dieses Aktenvermerkes des zuständigen Untersuchungsrichters begannen Vertreter der Staatsanwaltschaft anscheinend nervös zu werden:
Aus dem Schlussbericht wurde plötzlich ein Informationsbericht für den Leitenden Staatsanwalt Erich Wetzer; so dieser: "Ich wollte mir nur einen Überblick verschaffen. Der Abschlussbericht war für das Gericht gar nicht vorgesehen."
Plötzlich erhält die Sonderkommission von der Staatsanwaltschaft neuerlich den Auftrag, einen Bericht zu verfassen. Über diesen Auftrag herrscht völlige Unklarheit. Einerseits soll diese Weisung den Inhalt haben, dass die Passagen über Haider und Stadler nicht mehr in den neuen Bericht aufgenommen werden dürfen, andererseits erklärt Wetzer öffentlich, dass alle bisherigen Ermittlungen im Bericht enthalten sein werden.
Diese widersprüchliche und dilettantische Vorgangsweise der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft muss umgehend in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden; die BürgerInnen haben das Recht, über die Ergebnisse dieser Prüfung rasch und umfassend informiert zu werden.
Zum Spannungsverhältnis zwischen dem unabhängigen Untersuchungsrichter und der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des FP-Spitzelskandals und den notwendigen Konsequenzen daraus führt Ronald Escher in den "Salzburger Nachrichten" (24. März 2001, S. 2) beeindruckend deutlich aus:
"Der Standpunkt
Der Gegensatz der Kräfte
Ronald Escher
Der Wiener Untersuchungsrichter Stefan Erdei ist ein mutiger Mann. In den Vorerhebungen zur "Spitzelaffäre" hat er zwar nur die Aufträge der Staatsanwaltschaft zu erfüllen und kann von sich aus nicht tätig werden. Da er jedoch ,seinen‘ Ermittlungsspielraum offenbar genau nimmt, geriet er ins Schussfeld: Die FPÖ erging sich in Drohgebärden gegen die Justiz, Klubchef Peter Westenthaler attackierte Erdei persönlich.
Doch der Richter hat dem Druck standgehalten und jüngst in einem Aktenvermerk sein Unverständnis über die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft – interpretiert als ,Behinderung‘ – erkennen lassen. Jetzt heißt es, ein von Erdei beauftragtes Gutachten zu einem angeblichen Brief von Leibwächter Horst Binder an Jörg Haider komme zu einem anderen Ergebnis als jener Graphologe, der in dem Brief eine ,Fälschung‘ sah.
Hier ein unabhängiger Richter, dort eine weisungsgebundene Staatsanwaltschaft, von deren Anträgen oder Nicht-Anträgen Erdeis Arbeit abhängig ist. Weisungsgebunden, das heißt: Was der zuständige Staatsanwalt beantragt oder nicht beantragt, prüfen der Gruppenleiter und der Behördenleiter, dann der zuständige Oberstaatsanwalt – in diesem Fall einer, der sich mittlerweile von rechtslastigen ,Jugendsünden‘ distanziert –, dann der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft. Und am Schluss der Kette steht der FPÖ-Justizminister. Der hat allerdings zugesagt, keine Weisung zu geben.
Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit – das ist ein Gegensatz der Kräfte. Andererseits: Eine Weisung wäre ja nur das Äußerste. Oft weiß eh ein jeder von allein, was er zu tun und zu lassen hat. Es ist nur zu hoffen, dass man sich auf allen Seiten auch der Sensibilität der ,Spitzelaffäre‘ voll bewusst ist. Sonst bliebe zuletzt nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss."