Diese Wahrscheinlichkeiten können in der Handschriftvergleichung derzeit nicht in exakten, mathematisch eindeutig ableitbaren Prozentwerten ausgedrückt werden, entsprechen jedoch unterschiedlichen Abstufungen. Als ,wahrscheinlich‘ bezeichne ich ein Ergebnis erst dann, wenn die hierfür sprechenden Argumente bereits deutlich überwiegen. Diese Einstufung deckt einen weiten Bereich ab. Die daran anschließende Einstufung ,hohe Wahrscheinlichkeit‘ umfasst hingegen einen deutlich engeren Bereich, während die Einstufung ,sehr hohe Wahrscheinlichkeit‘ nur mehr den schmalen Grenzbereich zu einem eindeutigen Ergebnis betrifft.
20. März 2001
ao. Univ.-Prof. Dr. Christan Grafl
Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger"
Bei Bekanntwerden des Erstgutachtens bezeichnete die Rechtsvertreterin Jörg Haiders, Mag. Huberta Gheneff-Fürst, den Binder-Brief als das Hauptbelastungsmittel gegen Jörg Haider, welches damit in sich zusammengebrochen sei.
Landeshauptmann Haider führte damals aus, dass die gegen ihn geführte Kampagne im Rahmen des Spitzelskandals durch die Tatsache, dass der Binder-Brief gefälscht sei, endgültig zusammengebrochen wäre, und forderte Konsequenzen für eine Reihe von Gesetzesbrüchen durch führende Beamte. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete er als Skandal von Kräften in Österreich, die mit gezinkten Karten versuchen, ihn schlecht zu machen.
Sein Statthalter Westenthaler führte dazu aus: "Beginn einer roten Staatsaffäre, gefälschtes Beweismittel gegen Kärntner Landeshauptmann, parteipolitisch motivierte Ermittlungen." Auch er bezeichnete den Binder-Brief als das Hauptindiz gegen Jörg Haider.
Wir halten fest: Haider selbst, seine Rechtsvertreterin und der FP-Klubobmann haben öffentlich – im Vertrauen auf das Erstgutachten – den Standpunkt vertreten, dass der Binder-Brief das Hauptbelastungsmittel gegen Haider sei. Und dieses Beweismittel ist nach einer wissenschaftlichen gutächtlichen Äußerung des Kriminologen Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl nunmehr wahrscheinlich echt und keine Fälschung.
Es ist damit nachgewiesen, dass Binder im Auftrag von Haider illegale Datenabfragen im Polizeicomputer vorgenommen hat und die Ergebnisse diesem übermittelte. Die Vorwürfe des Datenmissbrauches durch hochrangige FP-Politiker hat sich daher bestätigt. Ein Landeshauptmann, gegen den so schwerwiegende Verdachtsmomente der Spitzelei aus politischem Interesse vorliegen, sollte sich umgehend bei den österreichischen BürgerInnen entschuldigen und die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Darüber hinaus ist durch all diese Vorgänge auch der Ruf des österreichischen Rechtsstaates in Europa wieder auf dem Prüfstand; so führt die angesehene "Süddeutsche Zeitung" am 26.3.2001 Folgendes aus:
"Unvollständige Akten
Im ,Tatort‘ hat man derlei noch nicht gesehen: Der Untersuchungsrichter kann den/die Täter nichts Gescheites fragen, weil das Aktenkonvolut über den Kriminalfall unvollständig ist. Im Rechtsstaat Österreich ist dies ausgerechnet in einem Fall geschehen, in den auch Politiker verwickelt sind: In der Polizeispitzel-Affäre, in der FPÖ-Politiker Polizisten angestiftet haben sollen, Personendaten illegal weiterzureichen. Vorwürfe gegen eine Staatsanwaltschaft, die dem Justizminister weisungsgebunden ist, der wiederum zur FPÖ-Mannschaft gehört.
Natürlich haben die Beschuldigten, zu denen im Grunde nun auch wieder der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gehört, das ganze als Komplott erkannt, um ihnen die Landtagswahl in der Hauptstadt Wien zu verderben. Die Opposition sieht das Wirken politischer Obstruktion in der unabhängigen Justiz. Abenteuerlich ist die Sache allemal. Und sie hat einen anderen, symptomatischeren Kern. Seit die FPÖ/ÖVP-Regierung in Österreich vor einem Jahr ihr Amt angetreten hat, sind in Windeseile Unmengen von Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen geän