Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 113

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Es ist tatsächlich nicht irgendein Brief. Dieser Brief würde nachweisen, dass Horst Binder im Auftrag Jörg Haiders illegal Daten beschafft hat. (Abg. Böhacker: So ein Unsinn! Lesen Sie den Brief noch einmal vor! So ein Blödsinn!) Aber wird es auch bedeuten, dass diese neue Faktenlage zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Kärntner Landeshauptmann führen wird? – Wir erwarten gespannt die Antwort des Justizministers auf diese Frage. Aber, Herr Bundesminister, bitte bedenken Sie, bevor Sie antworten, dass nicht nur Sie, sondern auch der Rechtsstaat auf dem Prüfstand steht.

Im Zusammenhang mit dem Verdacht gegen Jörg Haider tut sich eine weitere sehr eigenartige Lücke in der Aufklärung auf. Es geht um einen Beamten, der im Verdacht steht, eine Schlüsselfigur in dieser ganzen Affäre darzustellen. Er steht im Verdacht, für Jörg Haider politische Gegner, aber – was besonders pikant ist – auch das eigene Umfeld durch Beschaffung illegaler Daten durchleuchtet zu haben. Diese Schlüsselperson wurde bis heute nicht einvernommen. Obwohl man auf diese Einvernahme verzichtet hat – bisher verzichtet hat –, wurde das Verfahren gegen den Alt-Parteiobmann eingestellt.

Warum, Herr Bundesminister, wurde bis heute auf diese wichtige Aussage verzichtet? – Es gibt keinen anderen Grund als den folgenden: Offenbar wird befürchtet, dass dabei etwas an das Tageslicht kommt, was Sie lieber hinter einer Nebelwand verstecken wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wirklich alle Westen so weiß sind, dann ist es höchste Zeit, und zwar in Ihrem eigenen Interesse, sich auch von diesem Beamten die Entlastung einzuholen. Andernfalls wird der massive Eindruck der bewussten Verschleierung bestehen bleiben.

Die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi hat vor einigen Wochen, als sie die aktuelle Situation in Österreich eingeschätzt hat, in einem Kommentar geschrieben:

"Daß man Zivilcourage braucht, um korrekt seiner Arbeit nachzugehen, kennt man im Allgemeinen nur aus nichtdemokratischen Regimen."

Wie Recht hat sie doch, wenn sie davon spricht, dass man Zivilcourage braucht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) In den letzten Tagen sorgte eine außergewöhnliche Vorgangsweise des zuständigen Untersuchungsrichters Stefan Erdei in der Öffentlichkeit für große Aufregung. Anders kann man das nicht interpretieren denn als öffentlichen Hilferuf, denn der Untersuchungsrichter erklärte in einem Aktenvermerk, bei seiner Aufklärungsarbeit massiv behindert worden zu sein, weil ihm wesentliche Akten und Ermittlungsergebnisse vorenthalten wurden.

Laut Zeitungsberichten steht in diesem Aktenvermerk unter anderem:

"Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp ¼ der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten dem Gericht vor."

Das, meine Damen und Herren, ist eine Vorgangsweise der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft, die im höchsten Ausmaß befremdet und verwundert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Minister Böhmdorfer hat diesen Vorwurf zurückgewiesen und dies für ein hochgespieltes Missverständnis erklärt. Herr Minister, wo liegt da das Missverständnis? Bitte ergreifen Sie nachher die Gelegenheit und erklären Sie uns hier und heute dieses angebliche Missverständnis!

Warum erhält der zuständige Untersuchungsrichter nicht das vollständige Faktenmaterial, also all die Informationen, die er braucht, um die richtigen Einschätzungen zu treffen und die richtigen Handlungen davon abzuleiten, also seiner Aufgabe gerecht zu werden? Was kann hier ein Missverständnis sein?


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